SENOCAK, Zafer



Berlin vor dem schwarzen Frühling


schwer ist es Städte zu befahren die es nicht mehr gibt

schwerer noch einen Weg hinaus zu finden

noch lange hält der Wall

lange nachdem die Stadt verwittert ist

wer entkommt träumt weiter

oder wacht als Toter auf

mit einem dicken Schuldschein

die Fische auf dem Balkon werfen ihre Gräten gen Herbst

alle nicht abgeholten Hoffnungen stapeln wir zusammen in einen kleinen Raum

hinter dunklem Fenster rostet ein helles

und noch aus dem Rost blinken Blumen

unsere Preise fallen

der Gärtner hat die Sträucher abgeschliffen

die Gräten ausgejätet

geht siebenmal ums Haus

auch die Grabsteine pflegt er

auf dem glatten Rasen der einer Wüste gleicht

verschwindet unsere Spur in der Spur von anderen

unsicher bewegen wir uns im eigenen Gehäus

mit den Wimpern schließen wir die Fenster

und horchen



einst suchte ich eine staatenlose Stadt


einst suchte ich eine staatenlose Stadt

um darin unterzugehen

keiner sollte meine Spur sehen

und je meinen Namen verstehen

einst suchte ich eine Bleibe für eine Nacht

das Bett sollte unterm Fenster stehen

und das Fenster zum Himmel gehen

damit ich ungesehen verschwände