CIBULKA, Hanns
Jahrgang 20
Wir,
die Geschundenen,
von einer Diktatur geworfen
in die andere.
Wie oft
hat man uns an die Kehle gesetzt
das Messer Ideologie,
die Meute bellte,
wenn einer abgeführt
zur Schächtung.
Lange hat es gedauert
ehe wir erkannt,
was in den Hinterhöfen der Geschichte
heimlich
nicht alles geschieht,
dass gezinkt sind
auch unsere Karten.
Später,
als die eigenen Söhne
uns verlachten,
haben wir immer noch mit dem Herzen
gedacht.
Bis zu den Knien
stehen wir
im eisigen Wasser.
Wir Worte
I.
Wie oft
habt ihr das Wort
beim ersten Hahnenschrei
verraten,
in galvanische Bäder
habt ihr uns gelegt,
als Pegasus
vor den Karren
gespannt.
Mit Doggen
habt ihr uns gejagt,
seid angetreten
zur Execution,
in Uniform,
in Kreuzesform
die Silben
in die Landschaft
gesetzt.
Wir Worte,
wir sind grau geworden
an der Klagemauer
der Sprache.
Es könnte sein,
dass ihr uns eines Tages
nicht mehr wiederfindet,
wortlos
kehrt euer Leib zurück
ins Tier.
II
Am Sterbebett
wenn alle Dinge
wie ein wolkenloser Himmel sind,
stehn wir als Spiegelbild
vor euch auf.
Wir sind euer letzter Besitz,
alles andere in euren Häusern
ist
Staub.
Hyperion 1943
I
Ich kam dir entgegen
an der Mauer von Syrakus,
fliehendes Vaterland.
Segesta
habe ich vom Kübelwagen
aus gesehen,
Fallschirmseide
Lag auf den Feldern.
Nebelpatronen
jagten wir hinauf
in das Antike Blau.
In den Dörfern
landete die Nacht,
leuchtspur im Nacken.
II
Verkarstetes Land,
die Poesie ist ausgewandert,
auf Krücken
defilieren die Worte
am Forum Romanum vorbei.
Mit Fahnenstoff
verdecken sie die Blösse,
dem Wind
verbieten sie die Botschaft,
die er aus andern Ländern bringt,
jedes offene wort
eine Falltür.
O mein Bellarmin,
ich verspräche dir gern
einen beseren Brief
aus dem Land der Orangen,
doch mein Haus
ist schweigsam geworden,
die Fenster
haben sehen gelernt.