ARTMANN, H.C.


Vorsommerliches rondo


in meiner kammer raunt das weiche kupfer der nacht

der mond im fenster ist eine warme knospe aus bernstein

der efeuschwere wind weidet im roten oleander meiner gärten

der fremde gast in der herberge verlöscht das sanfte öl seiner ampel

wenn du durch die nacht kommst ist wildfarn und steinnelke um deinen fuß

der fremde gast in der herberge verlöscht das sanfte öl seiner ampel

der efeuschwere wind weidet im roten oleander meiner gärten

der mond im fenster ist eine warme knospe aus bernstein

in meinem fenster raunt das weiche kupfer der nacht


O tod du dunkler meister

o tod du dunkler meister
du gallenbittres elixier
du zugereister harpunier und gott
du mond voll blinder äugen
du rosenzwerg im hinterhalt
du spinnenturm du spinne
du punkt zum abgethronten leben
o tod du schwarzer meister
erhöre uns erhöre uns
verschone uns
vor deinen spröden särgen
zerbeiß uns nicht das hirn wie glas
o tod du dunkler meister
zerbeiß uns nicht wie glas..
o tod du dunkler meister
du auf gerißner kiefer
du untrostschwere erden
du ohngeformter rattenschnabel
du durch und durch gewürmtes fleisch
du samenfraß du leere muschel
du nasse aschensonnen
o tod du schwarzer meister
erhöre uns erhöre uns
verschone uns
vor deinen wunden särgen
zerbeiß uns nicht wie glas das hirn
o tod du dunkler meister
zerbeiß uns nicht wie glas ..


O mein rosenfarber mund

o mein rosenfarber mund

wie bist mir sehr erblasset

ich kann es noch nicht fassen

dass man mir schon die lichter tragt

durch einen tränennebel . .

die vögel schrein aus feuchtem grund

der kannibal der truhen


hat dich zu tiefst ins herz geküsst

der abend ist gefallen diese stund

auf deinen leib so kühl und jäh . .

ade . .

ade du zeit der schäferei

und grüss dich dunkles käferreich

ich steh vor deiner mauer . .

schon kommen sie mit fackeln . .

mit viel gebet und prozession

naht sich der trauerhaufen –

mit stillverhaltnem atem

zerschneidet man das letzte brod

und ich allein im weissen tuch

seh nimmer mond noch sterne .