KELLER, Gottfried
Nixe im Grundquell
Nun in dieser Frühlingszeit
Ist mein Herz ein klarer See,
Drin versank das letzte Leid,
Draus verflüchtigt sich das Weh.
Spielend meine Seele ruht,
Von der Sonne überhaucht,
Und mit Lieb' umschliesst die Flut,
Was sich in dieselbe taucht.
Und im Quelle badest du,
Eine Nix' mit goldnem Haar;
Oben deckt den Zauber zu
Das Gewässer tief und klar.
Erster Schnee
Wie nun alles stirbt und endet
Und das letzte Lindenblatt
Müd sich an die Erde wendet
In die warme Ruhestatt,
So auch unser Tun und Lassen,
Was uns zügellos erregt,
Unser Lieben, unser Hassen
Sei zum welken Laub gelegt.
Reiner weißer Schnee, o schneie,
Decke beide Gräber zu,
Daß die Seele uns gedeihe
Still und kühl in Wintersruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
Die allein die Liebe weckt,
Wo der Haß umsonst die Hände
Dräuend aus dem Grabe streckt.
Winternacht
Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,
Still und blendend lag der weiße Schnee.
Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,
Keine Welle schlug im starren See.
Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,
Bis sein Wipfel in dem Eis gefror;
An den Ästen klomm die Nix herauf,
Schaute durch das grüne Eis empor.
Auf dem dünnen Glase stand ich da,
Das die schwarze Tiefe von mir schied;
Dicht ich unter meinen Füßen sah
Ihre weiße Schönheit Glied um Glied.
Mit ersticktem Jammer tastet' sie
An der harten Decke her und hin,
Ich vergeß' das dunkle Antlitz nie,
Immer, immer liegt es mir im Sinn!
Erneuert sich mein Hoffen, Und bleibet, bis sie untergeht, Wie eine Blume offen; Dann schlummert es ermattet Im dunklen Schlummer ein, Doch eilig wacht es wieder auf Mit ihrem ersten Schein.
Und immer wieder streitet, Das gute Blut, das nie verdirbt, Geheimnisvoll verbreitet! Solang noch Morgenwinde Voran der Sonne wehn, Wird nie der Freiheit Fechterschar
In Nacht und Schlaf vergehn.
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wordt mijn hoop vernieuwd, en blijft ze, tot ze ondergaat, open als een bloem; Dan valt ze afgemat in een donkere slaap, Maar snel ontwaakt ze weer Met haar eerste straal.
en altijd weer strijdt, ‘t goede bloed, dat nooit bederft, mysterieus verspreid! Zolang nog ochtendwinden voor de zon gaan staan, zullen vrijheidsstrijders nooit in nacht en slaap vergaan
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Aus dem Leben 2
Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist ein Karavanserai,
Wir sind die Pilger drin.
Ein Etwas, form- und farbenlos,
Das nur Gestalt gewinnt,
Wo ihr drin auf und nieder taucht,
Bis wieder ihr zerrinnt.
Es blitzt ein Tropfen Morgenthau
Im Strahl des Sonnenlichts –
Ein Tag kann eine Perle sein
Und hundert Jahre – Nichts!
Es ist ein weißes Pergament
Die Zeit und Jeder schreibt
Mit seinem besten Blut darauf
Bis ihn der Strom vertreibt.
An dich, du wunderbare Welt,
Du Schönheit ohne End'!
Schreib' ich 'nen kurzen Liebesbrief
Auf dieses Pergament.
Froh bin ich, daß ich aufgetaucht
In deinem runden Kranz;
Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht
Und lobe deinen Glanz!
Abendlied.
Augen, meine lieben Fensterlein,
Gebt mir schon so lange holden Schein,
Lasset freundlich Bild um Bild herein:
Einmal werdet ihr verdunkelt sein!
Fallen einst die müden Lider zu,
Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh';
Tastend streift sie ab die Wanderschuh',
Legt sich auch in ihre finst're Truh'.
Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend steh'n
Wie zwei Sternlein, innerlich zu seh'n,
Bis sie schwanken und dann auch vergeh'n,
Wie von eines Falters Flügelweh'n.
Doch noch wandl' ich auf dem Abendfeld,
Nur dem sinkenden Gestirn gesellt;
Trinkt, o Augen, was die Wimper hält,
Von dem goldnen Ueberfluß der Welt!
Abendlied an die Natur
Hüll mich in deine grünen Decken
Und lulle mich mit Liedern ein!
Bei guter Zeit magst du mich wecken
Mit eines jungen Tages Schein!
Ich hab mich müd in dir ergangen,
Mein Aug ist matt von deiner Pracht;
Nun ist mein einziges Verlangen,
Im Traum zu ruhn durch deine Nacht.
Der Kindesaugen freudig Leuchten
Schon fingest du mit Blumen auf,
Und wollte junger Gram sie feuchten,
Du legtest weiche Lindrung drauf.
Ob wildes Hassen, maßlos Lieben
Mich seither auch gefangen nahm,
Bin ich doch immer Kind geblieben,
Wenn ich zu dir ins Freie kam!
Geliebte, die mit ew'ger Treue
Und ew'ger Jugend mich erquickt,
Du einz'ge Lust, die ohne Reue
Und ohne Nachweh mich entzückt!
Sollt ich dir jemals untreu werden,
Dich kalt vergessen, ohne Dank:
Dann ist mein Fall wohl nah auf Erden,
Mein Herz verdorben oder krank!
O steh mir immerdar im Rücken,
Bin ich im Feld mit meiner Zeit!
Mit deinen hellen Mutterblicken
Ruh auf mir, auch im wärmsten Streit!
Und sollte mich mein Stündlein finden,
Schnell decke mich mit Rasen zu!
O selig Sterben und Verschwinden
In deines Urgrunds tiefste Ruh!
Walpurgis
Ich fürcht' nicht Gespenster,
Keine Hexen und Fee'n,
Und lieb's, in ihre tiefen
Glühaugen zu seh'n.
Am Wald, in dem grünen
Unheimlichen See,
Da wohnet ein Nachtweib,
Das ist weiß, wie der Schnee.
Es haßt meiner Schönheit
Unschuldige Zier;
Wenn ich nächtlich vorbeigeh',
So zankt es mit mir.
Doch der Schein meiner Augen
Und das Roth von meinem Mund
Verscheuchen das Spukweib
Alsbald auf den Grund.
Jüngst, als ich im Mondschein
Am Waldwasser stand,
Fuhr sie auf ohne Schleier,
Ohne alles Gewand!
Es schwammen ihre Glieder
In der taghellen Nacht;
Der Himmel war trunken
Von der höllischen Pracht.
Aber ich hab' entblößet
Meine lebendige Brust;
Da hat sie mit Schande
Versinken gemußt!
Trübes Wetter
Es ist ein stiller Regentag,
So weich, so ernst, und doch so klar,
Wo durch den Dämmer brechen mag
Die Sonne weiß und sonderbar.
Ein wunderliches Zwielicht spielt
Beschaulich über Berg und Tal;
Natur, halb warm und halb verkühlt,
Sie lächelt noch und weint zumal.
Die Hoffnung, das Verlorensein
Sind gleicher Stärke in mir wach;
Die Lebenslust, die Todespein,
Sie ziehn auf meinem Herzen Schach.
Ich aber, mein bewußtes Ich,
Beschau' das Spiel in stiller Ruh,
Und meine Seele rüstet sich
Zum Kampfe mit dem Schicksal zu.