NOVAK, Helga M.



Wasserspiegel


Wenn der Mond in die Seen fällt

zwischen Kalmus und Wasserratte

falle ich auch


wenn der Haselbaum sich neigt

schwer über Moos und Nadelbetten

geh ich auf Knien


wenn der Rehbock mit goldenem Huf

Funken schlägt auf den Kieselsteinen

stehe ich auf


wenn das blaue Gefieder verweht

über Lärchen und Kieferkronen

flieg ich davon



bin beschadet


bin beschadet und verbissen worden

gekappt und angebrochen und entwurzelt

die Schonung ist zuende

Wollmäuse am Himmel

Atlanten über mir

Mappen Karten aus Luft

ein rauschendes Fliehen

Gewölle tropft auf mich

bin beschadet meiner Triebe

verbissen worden gekappt

angebrochen und entwurzelt

entnadelt und entlaubt

ganz zugeneigt der Erde

bin ich kahl und entwirrt

kopfunten lese ich keine

Atlanten mehr kein Stern

durchdringt das Gewölbe

biete dem Heckenjäger keinen

Schutz mehr Leibstrafen

haben mich jüngst ereilt

eine Treibjagd mit Feuer

käme mir entgegen heute



Melancholie


Melancholie schöne Stellung

paß bloß auf daß dich keiner sieht

wie Du in Szene sitzt am Ufer

eines flüsternden Gewässers dort

Melancholie Erinnerungslose

sieh zu daß du keinem ins Auge

fällst daß niemand dir in den Ohren

liegt deine geistlose Abwesenheit

stört und dich zunichte macht

Melancholie flüchtige Erlösung

selbstvergessen durch alles durch-

blickend am gekräuselten Seeufer

so dich einer sieht bist du dahin

der Widerhall in eines Menschen

Antlitz bricht dir die Flügel gleich

Melancholie gnädige Trösterin.



Alles verflogen

…..
ach abgehängte Bilder Metaphern ihr

was ich zu bieten habe

ist ein Bündel Sätze Wörter

gebeugte Endungen und Silben

auf schiefen uralten Stämmen

hast du das gewußt und bist deshalb

auf und davon und ausgerückt

die Pusteblume Mittelmeer

Asien die wilde Rose aber rot

das Hasenherz Amerika keine Gründe

zu bleiben und mich abzuwarten

…..


meine Sprache



ich erinnere mich

an unsere erste Begegnung

als deine Laute

an Hungerwintertagen

aus den Kehlen der Baumfäller quollen

vermischt mit Wodkadampf

habe ich dich eingesogen


ich erinnere mich

an deinen Klang

der nachts um zehn erscholl

als wir wie auggespannte Zugpferde

aus dem Fabriktor stiessen


du bist uns gefolgt

in die Freiheit der Neonstadt

in die Freiheit der heissen Strassenbahnen

in die dreidimensionale Buntheit der Schaufenster


du hast den Wickelrock der Lügen

gesprengt mit einem Witz

aber unsere Seufzer Flüche Schreie

trugen deinen Mantel

und glitten im Zickzack an den Häuserwänden hoch


und folgten mir

in die Freiheit einses Hinterhofs

bestirnt von einem Mandelbaum