HAHN-HAHN, Ida



Der Verlust


Gieb mir meine Seele wieder,

Du, der sie gefesselt hält

Am gebrochenen Gefieder,

Einsam, still in deiner Welt.

Gieb mir die Gedanken wieder,

Die sich ewig zu dir wenden,

Ohn' zu ruhen, ohn' zu enden,

Immer wogend auf und nieder.


Alles ist mir untergangen,

Selbst die holde Poesie,

Die mich trostreich sonst umfangen

Und dem Schmerz die Thräne lieh.

Alles ist mir untergangen

Mit dem lieben, süßen Sterne,

Der nun zieht in weiter Ferne,

Und der einzig mein Verlangen.


Als ich hoffte, konnt' ich singen, --

Kann doch Ros' im Winter blüh'n,

Sonne durch die Scheiben dringen,

Ihr verkündend Sommers Glüh'n! --

Doch jetzt kann ich nimmer singen,

Hoffnung, Muth sind mir gebrochen,

Still ist meines Herzens Pochen

Und geknickt die kühnen Schwingen.



Ach, wenn du wärst mein eigen


Ach, wenn du wärst mein eigen,

Wie lieb sollt'st du mir sein,

Wie wollt' ich tief im Herzen

Nur hegen dich allein,

Und alle Wonn' und alles Glück

Mir schöpfen nur aus deinem Blick.


Ach, wenn du wärst mein eigen,

Wie wär' die Welt dann schön,

Es bliebe nichts zu wünschen,

Als stets - dich anzuseh'n;

Und, ganz versunken in mein Glück,

Erhielt' die Welt nicht einen Blick.


Ach, wenn du wärst mein eigen,

Wie würd' ich dann so gut;

Auf deine Hoheit stützte

Ich meinen schwachen Muth.

Mein höchster Lohn, mein höchstes Glück

Erglänzte mir in deinem Blick.


Ach, wenn du wärst mein eigen,

Wie schien' mir hold der Tod,

Er träfe uns zusammen; - -

Und, gleich dem Abendroth,

Wär' er der Schluß des Tags voll Glück,

Verzehrend süß, ein Liebesblick.


Ach, wenn du wärst mein eigen,

Bis einst mein Auge bricht,

So würd' ich droben sagen:

"Ich laß [ihn]1 ewig nicht!

"Im Himmel selbst ohn' [ihn]1 kein Glück!"

Das ist mein Trost, mein Hoffnungsblick.



Mir ist, als kennt' ich dich seit Jahren


Mir ist, als kennt' ich dich seit Jahren,

So heimisch fühl' ich mich bei dir,

Nie hab' ich solche Ruh' erfahren,

Wie du mir bringst; o bleibe hier!


Mir ist, als müßt' ich dir vertrauen

Mein Schifflein auf dem Lebensmeer,

Um fest auf deine Kraft zu bauen

Wenn's meinem Ruder folgt nicht mehr.


Mir ist als müsse ich dir klagen,

Was nimmer sonst mein Mund verräth;

Du bringst ja Glück, verscheuchst die Plagen,

Und schweig' ich, -- hätt's dein Aug' erspäht.


Mir ist's, als könnt' ich niemals lassen

Von diesem lieben, holden Blick;

Am Grabe würd' er mich erfassen,

Das Leben strömt aus ihm zurück.


Mir ist, als wär' ich ganz dein eigen,

Ein Theil von dir, vielleicht dein Traum,

Vielleicht dein Glück - die Worte schweigen! --

Ach, wohnt es auf der Erde Raum? --