VESPER, Guntram



Frohburg

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Eines Nachts, der Herbststurm peitschte Regen gegen die Fenster, die Ziegel auf dem Dach klapperten, kam die Besucherin ans Bett des jugendlichen Mentors, ich kann nicht schlafen, der Lärm, und etwas krampft mein Herz zusammen, wie soll es weitergehen mit mir, du mußt mir helfen. Laß uns noch einmal beten, sagte der Junge, noch im Halbschlaf. Halt mich lieber fest, ganz fest, und wärme mich, mehr will ich nicht. Am anderen Morgen, der Wind hatte sich gelegt, es regnete nicht mehr, wurde der Junge wach, als das erste Tageslicht in die Kammer fiel, er sah neben sich den Kopf seiner allerletzten Verehrerin aus neuer Perspektive, von schräg hinten, schütteres falbes Haar, und als ihm bewußt war, was er sah, …

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Arbeitsdienstbaracken im Wolfslückenweg, in Krieg und Nachkrieg bis in die hinterste Ecke vollgestopft, Zwangsarbeiter, Ausgebombte und Vertriebene, wild durcheinandergewürfelt, jeder erzählte eine andere Geschichte. Oder erzählte sie auch nicht. Alles aus dem gleichen Buch. Textildruckerei der Braunsbergbrüder. Mutter bis neununddreißig im Büro. Das Judenthema. Nach der Enteignung VEB Wäsche-Union Mittweida, Werk II. Sheddachhallen. Dreischichtbetrieb.

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