DELIUS, Friedrich Christian



Ein Bankier au der Flucht


Ganz sicher, er war es. Vor kurzem noch im Fernsehn,

jetzt sehn wir ihn im Schwarzwald zu Fuß

und abgehetzt, Dreck an den Schuhn, sehn ihn allein

mit einem Koffer, Richtung Süden, kein Gespenst.

Schweiz oder Liechtenstein? Warum hat er nicht

wenigstens seinen Chauffeur bei sich und

den Mercedes? Warum nimmt er nicht die Bahn? Warum

vertraut er sich nicht einem ortskundigen Landwirt an?

Warum dieser ängstliche Blick, diese Hast?

Ein Wanderer würde anders laufen und ohne

diesen Koffer. Wer vor seiner Frau oder Geliebten

abhaut, haut nicht über Feldwege ab.

Warum schlägt er den Mantelkragen hoch?

Erschrickt der vor uns? Seit wann gehören

Bankiers zu den Angsthasen? Kommen jetzt noch mehr

flüchtende Bankchefs hier vorbei und stören

Spaziergänger auf? Schreiben wir das Jahr 74 oder

1929 oder 1986, oder was ist hier eigentlich los?



Armes Schwein


Um zwei Uhr nachts stürmten wir das Haus

des namhaften Kritikers. Der saß noch bei der Arbeit,

sprang sofort erleichtert auf und

nahm die Arme hoch. Sah zu, zufrieden

spielte er Entrüstung, als wir seine Bücher

in die Wäschekörbe packten, faßte aber nicht

mit an. Wir dachten an seinen bekannten

Enthusiasmus für >La Chinoise<, ließen ihm also

Majakowskij und Brecht. Schon holte er

Wein aus dem Keller. Als wir die Schallplatten

wegnahmen, sagte er bloß, er wolle von Beethoven

sowieso nichts mehr wissen, bestand aber plötzlich

auf Albert Ayler. Wir stimmten ab, ja der

sollte ihm bleiben. Wir tanzten mit seiner Frau.

Sie lud uns in die Küche, manierlich aßen wir

die Delikatessen auf. Er wollte uns dann

mit Whisky halten. Es wurde hell, wir schleppten

das Zeug endlich raus, da bot er uns das Du an.

Das, fanden wir, ging zu weit.

Da haben wir also doch wieder einen Fehler gemacht.