HERWEGH, Georg
Das Lied vom Hasse.
Wohlauf, wohlauf, über Berg und Fluß
Dem Morgenroth entgegen,
Dem treuen Weib den letzten Kuß,
Und dann zum treuen Degen!
Bis unsre Hand in Asche stiebt,
Soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt,
Und wollen endlich hassen!
Die Liebe kann uns helfen nicht,
Die Liebe nicht erretten;
Halt' du, o Haß, dein jüngst Gericht,
Brich Du, o Haß, die Ketten!
Und wo es noch Tyrannen gibt,
Die laßt uns keck erfassen;
Wir haben lang genug geliebt,
Und wollen endlich hassen!
Wer noch ein Herz besitzt, dem soll's
Im Hasse nur sich rühren;
Allüberall ist dürres Holz,
Um unsre Glut zu schüren.
Die ihr der Freiheit noch verbliebt,
Singt durch die deutschen Straßen:
„Ihr habet lang genug geliebt,
O lernet endlich hassen!“
Bekämpfet sie ohn' Unterlaß,
Die Tyrannei auf Erden,
Und heiliger wird unser Haß,
Als unsre Liebe, werden.
Bis unsre Hand in Asche stiebt,
Soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt,
Und wollen endlich hassen!
O Freiheit, Freiheit
O Freiheit, Freiheit! Nicht wo Hymnen schallen,
In reichgeschmückten fürstlichen Arkaden –
Freiheit! Du wohnst an einsamen Gestaden,
Und liebst die Stille, wie die Nachtigallen.
Du fliehest das Geräusch der Marmorhallen,
Wo trunkne Schlemmer sich im Weine baden,
Du läßt in Hütten dich zu Gaste laden,
Wo Tränen in die leeren Becher fallen.
Ein Engel nahst du bei verschloßnen Türen,
Stellst lächelnd dich an deiner Treuen Bette,
Und horchst der himmlischen Musik der Kette.
Nicht stolze Tempel wollen dir gebühren,
Drin wir als Opfer unsern Stolz dir bieten –
Wärst du die Freiheit, wenn wir vor dir knieten?
Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein
Bet′ und arbeit′! ruft die Welt,
bete kurz! denn Zeit ist Geld.
An die Türe pocht die Not -
bete kurz! denn Zeit ist Brot.
Und du ackerst und du säst,
und du nietest und du nähst,
und du hämmerst und du spinnst -
sag′ o Volk, was du gewinnst!
Wirkst am Webstuhl Tag und Nacht,
schürfst im Erz- und Kohlenschacht,
füllst des Überflusses Horn,
füllst es hoch mit Wein und Korn.
Doch wo ist dein Mahl bereit?
Doch wo ist dein Feierkleid?
Doch wo ist dein warmer Herd?
Doch wo ist dein scharfes Schwert?
Alles ist dein Werk! o sprich,
alles, aber nichts für dich!
Und von allem nur allein,
die du schmied′st die Kette dein?
Kette, die den Leib umstrickt,
die dem Geist die Flügel knickt,
die am Fuß des Kindes schon
klirrt - o Volk, das ist dein Lohn.
Was ihr hebt ans Sonnenlicht,
Schätze sind es für den Wicht;
was ihr webt, es ist der Fluch
für euch selbst - ins bunte Tuch.
Was ihr baut, kein schützend Dach
hat′s für euch und kein Gemach;
was ihr kleidet und beschuht,
tritt auf euch voll Übermut.
Menschenbienen, die Natur
gab sie euch den Honig nur?
Seht die Drohnen um euch her!
Habt ihr keinen Stachel mehr?
Mann der Arbeit, aufgewacht!
Und erkenne deine Macht!
Alle Räder stehen still,
wenn dein starker Arm es will.
Deiner Dränger Schar erblaßt,
wenn du, müde deiner Last,
in die Ecke lehnst den Pflug,
wenn du rufst: Es ist genug!
Brecht das Doppeljoch entzwei!
Brecht die Not der Sklaverei!
Brecht die Sklaverei der Not!
Brot ist Freiheit, Freiheit Brot!
Im Frühling
O laß sie träumen den Kaiserwahn,
Alt-Deutschlands Ritter und Recken;
Wie werden sich vor dem roten Hahn
Die roten Adler verstecken!
O laß sie träumen noch eine Nacht!
Dann wetzen wir aus die Scharte,
Dann werden Fidibusse gemacht
Aus der europäischen Karte.
Die Völker kommen und läuten Sturm –
Erwache, mein Blum , erwache!
Vom Kölner Dome zum Stefansturm
Wird brausen die Rache, die Rache.
Vorn Stefansturm zum stillen Prag
Und weiter, weiter nach Polen
Das ist der Könige Jüngster Tag;
Der Teufel, er wird sie holen.
Die alten Kohorten am Tiberstrom
Stehn auf beim Klang der Trompeten;
Die Glocken schweigen, du ewiges Rom
Vergiß dein Singen und Beten!
Die Glocken schweigen, die Pfaffen schrein
In ihren zertrümmerten Hallen;
Den Heiligen wird der goldne Schein
Vom zitternden Haupte fallen.
Die Henker falten, vor Schrecken bleich,
Die blutigen Hände zusammen;
Und aus dem stürzenden Österreich
Hoch lodern werden die Flammen.
Das alles, das alles soll geschehn
In kommenden Frühlingstagen –
Herrgott, laß die Welt nicht untergehn,
Eh die Nachtigallen schlagen!
Ich möchte hingehn wie das Abendrot
Ich möchte hingehn wie das Abendrot
Und wie der Tag in seinen letzten Gluten –
O leichter, sanfter, ungefühlter Tod! –
Mich in den Schoß des Ewigen verbluten.
Ich möchte hingehn wie der heitre Stern,
Im vollsten Glanz, in ungeschwächtem Blinken;
So stille und so schmerzlos möchte gern
Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken.
Ich möchte hingehn wie der Blume Duft,
Der freudig sich dem schönen Kelch entringet
Und auf dem Fittich blütenschwangrer Luft
Als Weihrauch auf des Herren Altar schwinget.
Ich möchte hingehn wie der Tau im Tal,
Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken;
O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl,
Auch meine lebensmüde Seele trinken!
Ich möchte hingehn wie der bange Ton,
Der aus den Saiten einer Harfe dringet,
Und, kaum dem irdischen Metall entflohn,
Ein Wohllaut in des Schöpfers Brust erklinget.
Du wirst nicht hingehn wie das Abendrot,
Du wirst nicht stille wie der Stern versinken,
Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod,
Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken.
Wohl wirst du hingehn, hingehn ohne Spur,
Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen,
Sanft stirbt es einzig sich in der Natur,
Das arme Menschenherz muß stückweis brechen.
Heimweh
O Land, das mich so gastlich aufgenommen,
O rebenlaubumkränzter, stolzer Fluß –
Kaum bin ich eurer Schwelle nah gekommen,
Klingt schon mein Gruß herb wie ein Scheidegruß.
Was soll dem Auge eure Schönheit frommen,
Wenn diese arme Seele betteln muß?
Er ist so kalt, der fremde Sonnenschein;
Ich möchte, ja ich möcht zu Hause sein!
Die Schwalben seh ich schon im stillen Flug
Die Häuser – nur das meine nicht – umschweben;
O warme Luft, und doch nicht warm genug,
Verpflanzte Blumen wieder zu beleben!
Der Baum, der seine jungen Sprossen schlug,
Was wird dem Fremdling er im Herbste geben?
Vielleicht ein Kreuz und einen Totenschrein –
Mich friert, mich friert! ich möcht zu Hause sein! –