VISCHER, Friedrich Theodor


Bald

Es währt noch eine kurze Weile,

daß du durch diese Straße gehst

hinauf, herab die lange Zeile,

und manchmal grüßend stillestehst.

Bald wird der ein' und andre sagen:

Den Alten sehen wir nicht mehr,

er ging an kalt' und warmen Tagen

doch hier sein Stündchen hin und her.

Es sei! Des Lebens volle Schalen

hab ich geneigt an meinen Mund,

und auch des Lebens ganze Qualen

hab ich geschmeckt bis auf den Grund.

Getan ist manches, was ich sollte,

nicht spurlos laß' ich meine Bahn;

doch manches, was ich sollt' und wollte,

wie manches ist noch ungetan!

Wohl sinkt sie immer noch zu frühe

herab, die wohlbekannte Nacht,

doch wer mit aller Sorg und Mühe

hat je sein Tagewerk vollbracht!

Schau um dich! Sieh die hellen Blicke,

der Wangen jugendfrisches Blut,

und sage dir: In jede Lücke

ergießt sich junge Lebensglut.

Es ist gesorgt, brauchst nicht zu sorgen;

mach Platz, die Menschheit stirbt nicht aus.

Sie feiert ewig neue Morgen,

du steige fest ins dunkle Haus!