HÜSCH, Hanns Dieter


Der Weg des Menschen


Der Weg des Menschen ist lang und schwer,

voller Höhen und Tiefen, immer wieder heut' und immer wieder mehr.

Wir suchen nach dem Glück, nach Liebe und Geborgenheit,

doch oft verlieren wir uns in der Dunkelheit.


Wir stolpern und fallen, stehen wieder auf,

kämpfen weiter, ohne Rast und ohne Rauf.

Doch manchmal, ganz unverhofft,

kommt das Glück zu uns, das uns oft verschafft.


Es sind die kleinen Momente im Leben,

die uns Freude schenken, die uns Kraft geben.

Wir müssen nur hinsehen, all die kleinen Dinge sehen,

denn sie sind es, die uns wirklich glücklich machen.


Bedenkt...


Bedenkt, dass jetzt um diese Zeit,

der Mond die Stadt erreicht.

Für eine kleine Ewigkeit sein Milchgesicht uns zeigt.


Bedenkt, dass hinter ihm ein Himmel ist,

dem man nicht definieren kann.

Vielleicht kommt jetzt um diese Zeit

ein Mensch dort oben an.

Und umgekehrt wird jetzt vielleicht

ein Träumer in die Welt gesetzt.

Und manche Mutter hat erfahren,

dass ihre Kinder nicht die besten waren.


Bedenkt auch, dass ihr Wasser habt und Brot,

dass Unglück auf der Straße droht,

für die, die weder Tisch noch Stühle haben

und mit der Not die Tugend auch begraben.


Bedenkt, dass mancher sich betrinkt,

weil ihm das Leben nicht gelingt,

dass mancher lacht, weil er nicht weinen kann.

Dem einen sieht man's an, dem andern nicht.


Bedenkt, wie schnell man oft ein Urteil spricht.

Und dass gefoltert wird, das sollt ihr auch bedenken.

Gewiss, ein heißes Eisen, ich wollte niemand kränken,

doch werden Bajonette jetzt gezählt und wenn eins fehlt,

es könnte einen Menschen retten,

der jetzt um diese Zeit in eurer Mitte sitzt,

von Gleichgesinnten noch geschützt.


Wenn ihr dies alles wollt bedenken,

dann will ich gern den Hut,

den ich nicht habe, schwenken.

Die Frage ist, die Frage ist,

sollen wir sie lieben, diese Welt?

Sollen wir sie lieben?

Ich möchte sagen, wir wollen es üben.


Psalm


Ich bin vergnügt, erlöst, befreit.
Gott nahm in seine Hände meine Zeit.
Mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen,
mein Triumphieren und Verzagen,
Das Elend und die Zärtlichkeit.

Was macht, dass ich so fröhlich bin
in meinem kleinen Reich.
Ich sing und tanze her und hin
vom Kindbett bis zur Leich.

Was macht, dass ich so furchtlos bin
an vielen dunklen Tagen.
Es kommt ein Geist in meinen Sinn,
will mich durchs Leben tragen.

Was macht, dass ich so unbeschwert,
und mich kein Trübsal hält,
weil mich mein Gott das Lachen lehrt,
wohl über alle Welt.



Ich sing für die Verrückten


Ich sing' für die Verrückten
Die seitlich Umgeknickten
Die eines Tag's nach vorne fallen
Und unbemerkt von allen
An ihrem Tisch in Küchen sitzen
Und keiner Weltanschauung nützen
Die tagelang durch Städte streifen
Und die Geschichte nicht begreifen

Die sich vom Kirchturm stürzen
Die Welt noch mit Gelächter würzen
Und für den Tod beizeiten
Sich selbst die Glocken läuten
Die an den Imbisstheken hängen
Sich weder vor- noch rückwärtsdrängen
Und still die Tagessuppe essen
Dann alles wieder schnell vergessen

Die mit den Zügen sich beeilen
Um nirgendwo zu lang zu weilen
Die jeden Abschied aus der Nähe kennen
Weil sie das Leben Abschied nennen
Die auf den Schiffen sich verdingen
Und mit den Kindern Lieder singen
Die suchen und die niemals finden
Und nachts vom Erdboden verschwinden


Die Wärter stehen schon bereit mit Jacken
Um werkgerecht die Irrenden zu packen
Die freundlich auf den Dächern springen –
Für diese Leute will ich singen

Die in den großen Wüsten sterben
Den Schädel schon in tausend Scherben
Der Sand verwischt bald alle Spuren
Das Nichts läuft schon auf vollen Touren
Die sich durchs rohe Dickicht schieben
Vom Wahnsinn wund und krank gerieben
Die durch den Urwald aller Seelen blicken
Den ganzen Schwindel auf dem Rücken

Ich sing' für die Verrückten
Die seitlich Umgeknickten
Die eines Tag's nach vorne fallen
Und unbemerkt von allen
Sich aus der Schöpfung schleichen
Weil Trost und Kraft nicht reichen
Und einfach die Geschichte überspringen –
Für diese Leute will ich singen



Utopie


Ich seh ein Land mit neuen Bäumen.

Ich seh ein Haus mit grünem Strauch.

Und einen Fluss mit flinken Fischen.

Und einen Himmel aus Hortensien seh ich auch.


Ich seh ein Licht von Unschuld weiß.

Und einen Berg, der unberührt.

Im Tal des Friedens geht ein junger Schäfer,

Der alle Tiere in die Freiheit führt.


Ich hör ein Herz, das tapfer schlägt,

In einem Menschen, den es noch nicht gibt,

Doch dessen Ankunft mich schon jetzt bewegt.

Weil er erscheint und seine Feinde liebt.


Das ist die Zeit, die ich nicht mehr erlebe,

Das ist die Welt, die nicht von unsrer Welt.

Sie ist von fein gesponnenen Gewebe,

Und Freunde, glaubt und seht: sie hält.


Das ist das Land, nach dem ich mich so sehne,

Das mir durch Kopf und Körper schwimmt,

Mein Sterbenswort und meine Lebenskantilene,

Dass jeder jeden in die Arme nimmt.



Abendlied 1


Seht′s, der Abend ist gekommen

Ist am Himmel längst geschwommen

Legt sich aufs Gemüt

Bis der Mond verblüht


Auch ich muss nach Hause gehen

Nach den kleinen Kindern sehen

Nach den kleinen Tieren

Dass sie niemals frieren


Dass sie Brot und Suppe kriegen

Und die Kühe keine Fliegen

Lange Hälse für die Pferde

Äpfel auch für Mutter Erde


Niederrhein ist müde jetzt

Hat für heut' genug geschwätzt

Bald wird alles schwarz und still

Bis morgen früh, wenn Gott es will



Abendlied 2


Schmetterling kommt nach Haus

Kleiner Bär kommt nach Haus

Känguruh kommt nach Haus

Die Lampen leuchten – der Tag ist aus


Kabeljau schwimmt nach Haus

Elefant läuft nach Haus

Ameise rast nach Haus

Die Lampen leuchten – der Tag ist aus


Fuchs und Gans kommen nach Haus

Katz und Maus kommen nach Haus

Mann und Frau kommen nach Haus

Die Lampen leuchten – der Tag ist aus


Alles schläft und alles wacht

Alles weint und alles lacht

Alles schweigt und alles spricht

Alles weiß man leider nicht

Alles schreit und alles lauscht

Alles träumt und alles tauscht

Sich im Leben wieder aus

Es sitzt schon der Abend auf unserem Haus


Schmetterling fliegt nach Haus

Wildes Pferd springt nach Haus



Lied vom sogenannten Frieden


Frieden hienieden

Soll immer von oben kommen

Kommt aber nicht von oben

Soviel wir auch den Meister loben


Frieden hienieden

Soll stets um uns're Seelen kreisen

Kreist aber nicht um uns're Seelen

Sooft es uns die Herren auch empfehlen


Und zwar dass wir

Vor uns'rer eignen Tür

Den berühmten Besen schwingen

Dann wird schon der Friede in uns dringen


So zu uns leis

Wie jeder weiß

Wird dann der bekannte Engel durch die Stube fliegen

Und in uns den innren Schweinehund besiegen


Ja, Frieden hienieden

Soll tief in uns'rem Innern wohnen

Wohnt aber nicht in uns'rem Innern

Sooft uns die Apostel auch erinnern


Und zwar, dass wir

Weil der Mensch kein Tier

Erstmal in der kleinsten Zelle

Beispielsweise der Familienhölle

Uns die Hände reichen

Dann wird schon der Satan aus dem Schornstein schleichen

Und zu uns leis

Wie jeder weiß

Wird dann eine unsichtbare Orgel spielen

Und jeder wird den Frieden deutlich in der Magengrube fühlen