MÜHSAM, Erich
Angst packt mich an.
Denn ich ahne, es nahen Tage
Voll grosser Klage.
Komm du, komm her zu mir! –
Wenn die Blätter im Herbst ersterben,
Und sich die Flüsse trüber färben,
Und sich die Wolken ineinander schieben
Dann komm, du, komm!
Schütze mich –
Stütze mich –
Fass meine Hand an.
Hilf mir lieben!
Der Gefangene
Ich hab's mein Lebtag nicht gelernt,
mich fremdem Zwang zu fügen.
Jetzt haben sie mich einkasernt,
von Heim und Weib und Werk entfernt.
Doch ob sie mich erschlügen:
Sich fügen heißt lügen!
Ich soll? Ich muß? – Doch will ich nicht
nach jener Herrn Vergnügen.
Ich tu nicht, was ein Fronvogt spricht.
Rebellen kennen beßre Pflicht,
als sich ins Joch zu fügen.
Sich fügen heißt lügen!
Der Staat, der mir die Freiheit nahm,
der folgt, mich zu betrügen,
mir in den Kerker ohne Scham.
Ich soll dem Paragraphenkram
mich noch in Fesseln fügen.
Sich fügen heißt lügen!
Stellt doch den Frevler an die Wand!
So kann's euch wohl genügen.
Denn eher dorre meine Hand,
eh ich in Sklavenunverstand
der Geißel mich sollt fügen.
Sich fügen heißt lügen!
Doch bricht die Kette einst entzwei,
darf ich in vollen Zügen
die Sonne atmen – Tyrannei!
Dann ruf ich's in das Volk: Sei frei!
Verlern es, dich zu fügen!
Sich fügen heißt lügen!
Nach all den Nächten, die voll Sternen hingen
Nach all den Nächten, die voll Sternen hingen,
nun diese dumpfe, trübe, nasse Nacht,
als wär die Arbeit aller Zeit vollbracht
und niemals wieder Hoffnung auf Gelingen.
Wohin die Schritte weisen, da das Ziel
ertrank im nebeligen Grau der Wege?
Ich such nur noch, wo ich mich niederlege,
den stillen Platz. Verloren ist das Spiel.
Ich höre vieler Menschen Schritte tasten –
verirrte Menschen, einsam, müd und arm –
und keiner weiß, wie wohl ihm wär und warm,
wenn wir einander bei den Händen faßten.