ZWEIG, Stefan
Steigender Rauch
Träumerisch ins Abendwerden
Lehnt sich langsam Haus um Haus,
Asche dunkelt auf den Herden
Und löscht letztes Glühen aus.
Alles sinkt in Nacht zusammen,
Nur von stillen Dächern bebt
Noch ein Mahnen an die Flammen,
Rauch, der steil zur Höhe strebt.
Seiner Glut nicht mehr gehörend
Und von ihr doch hochgewellt,
Sich in seinem Flug verzehrend
Und schon Wolken beigesellt,
Eine weiße wunderbare
Schwebe ohne Schwergewicht,
Steigt er langsam in das klare
Ruhevolle Sternenlicht. –
Ist nicht, was ich dumpf begehrte,
Seines Wesens tiefster Sinn,
Daß ich mich in Gluten klärte
Und befreit zu Sternen hin,
Aus dem Dunkel in die Helle,
Schlacke nicht und nicht mehr Glut,
Heimwärts wehte in die Welle
Uferloser Lebensflut?
Herbst
Traumstill die Welt. Nur ab und zu ein heisrer Schrei
Von Raben, die verflatternd um die Stoppeln streichen.
Der düstre Himmel drückt wie mattes schweres Blei
Ins Land hinab. Und sacht mit seinen sammetweichen
Schleichschritten geht der Herbst durch Grau und Einerlei.
Und in sein schweres Schweigen geh auch ich hinein,
Der unbefriedigt von des Sommers Glanz geschieden.
Die linde Stille schläfert meine Wünsche ein.
Mir wird der Herbst so nah. Ich fühle seinen Frieden:
Mein Herz wird reich und groß in weitem Einsamsein.
Denn Schwermut, die die dunklen Dörfer überweht,
Hat meiner Seele viel von ihrem Glück gegeben.
Nun tönt sie leiser, eine Glocke zum Gebet,
Und glockenrein und abendmild scheint mir mein Leben,
Seit es des Herbstes ernstes Bruderwort versteht.
Nun will ich ruhen wie das müde dunkle Land ...
Beglückter geht mein Träumerschritt in leise Stunden,
Und sanfter fühle ich der Sehnsucht heiße Hand.
Mir ist, als hätt ich einen treuen Freund gefunden,
Der mir oft nahe war und den ich nie gekannt ...
Morgenlicht
Nun wollen wir dem Licht entgegen,
Das um die Purpurwipfel rollt.
Das Leuchten flammt auf allen Wegen
Und wächst und wird zum Morgengold.
Die glutumlohten Tannen singen
Und Jubel bricht aus jedem Klang,
Wie kampfbereites Fahnenschwingen
Braust durch den Wald der Höhensang.
Und lauter werden alle Weisen
Und jedes Wesen sucht sein Lied,
Die Schaffenskraft des Lichts zu preisen,
Das nun ins volle Leben glüht.