LILIENCRON, Detlev von
Einen Sommer lang
Zwischen Roggenfeld und Hecken
Führt ein schmaler Gang,
Süßes, seliges Verstecken
Einen Sommer lang.
Wenn wir uns von ferne sehen
Zögert sie den Schritt,
Rupft ein Hälmchen sich im Gehen,
Nimmt ein Blättchen mit.
Hat mit Ähren sich das Mieder
Unschuldig geschmückt,
Sich den Hut verlegen nieder
In die Stirn gerückt.
Finster kommt sie langsam näher,
Färbt sich rot wie Mohn,
Doch ich bin ein feiner Späher,
Kenn die Schelmin schon.
Noch ein Blick in Weg und Weite,
Ruhig liegt die Welt,
Und es hat an ihre Seite
Mich der Sturm gesellt.
Zwischen Roggenfeld und Hecken
Führt ein schmaler Gang,
süßes, seliges Verstecken
Einen Sommer lang.
Sommernacht
An ferne Berge schlug wie Donnerkeulen
ein rasch verrauschtes Nachmittagsgewitter.
Die Bauern zogen heim auf müden Gäulen,
und singend kehrten Winzervolk und Schnitter.
Auf allen Dächern qualmten blaue Säulen
genügsam himmelan, ein luftig Gitter.
Nun ist es Nacht, es geistern schon die Eulen,
einsam aus einer Laube klingt die Zither
Tod in Ähren
Im Weizenfeld, im Korn und Mohn,
Liegt ein Soldat, unaufgefunden,
Zwei Tage schon, zwei Nächte schon,
Mit schweren Wunden, unverbunden.
Durstüberquält und fieberwild,
Im Todeskampf den Kopf erhoben.
Ein letzter Traum, ein letztes Bild
Sein brechend Auge schlägt nach oben.
Die Sense rauscht im Ährenfeld,
Er sieht sein Dorf im Arbeitsfrieden,
Ade, ade, du Heimatwelt -
Und beugt das Haupt und ist verschieden.