HENSEL, Kerstin



Die Seuche


Komm aus der Stadt durch die letzten Wälder

Die sächsischmeckelnburgmärkischen Wälder

Mit meinen zwei Füßen ohne Hemd ohne Schuh

Böses Blut in den Adern böse Liedchen dazu


Mich grüßen die grasüberwachsnen Fabriken

Die Äcker mit Distelkraut Winden und Steinen

Mich schmerzen die Lippen hab Schrunden am Fuß

Der Kopf wird mir heiß und dem Liebsten keinen Gruß


Ich geh in die Höfe und sag meinen Vers

Ich fange die Bauern die sich nicht erinnern

Geküsst und bespuckt spieln die Kinder mit mir

Ich lehre sie singen und bleib nicht allhier


Meine Zunge zeigt giftige Blasen und krank

Nennen mich die die am Faulboden krauchen

Wenn sie mich verbrennen treib ich übers Land

Und steck alles an mit Fieber und Brand


Und wenn wir auch lahm sind wir nehmen die Grenzen

Als ob sie uns Luft wärn befallen die Menschen

Mit Mäulern und Klauen ohne Angst ohne Ruh

Böse Lust in den Adern böse Lieder dazu



Hochmoorsommernachtstraumreise


Wir lassen schnell zurück die weissen Betten

Und unsre Schritte schmatzen durch die Nacht.

Ein gelbgereifter Bovist raucht und kracht.

Nach unsren Knöcheln gieren die Mofetten.

Und etwas pfeift mit rotgespitzter Zunge

Und leckt uns girrend über Hals und Rücken.

Wir gehen und vergehen im Entzücken –

Ein Puck springt ab, ein zartgewachsner Junge!


Die späten hohen Blumen wanken leise

Und röten manches schon verblasste Tier,

Und die betagten Farne stehen grau Spalier.

Wir sind am ende unserer Reise

Hier wo der Augenblick gerinnt zum Glück

Und wo das Glück vergeht im Augenblick.