KAHLAU, Heinz
Verletzt
Die Wärme, die so dicht um meine Schultern lag,
hast du mit einer harten Geste weggezogen.
Jetzt ist mir kalt am heißen Sommertag.
Der allzu scheue Vogel Zärtlichkeit,
von deiner bösen Stimme ist er aufgeflogen
bis zu den Toten. Zittert dort und schreit.
Du hast ihn um sein schönstes Nest betrogen,
das es sich selten aus vier Händen baut.
Du warst zu schweigsam, und du warst zu laut.
Ich liebe dich
Ich liebe dich
Ich liebe dich heißt auch:
komm, schlaf mit mir.
Es kann auch heißen:
lass uns Kinder haben.
Ich liebe dich. Ich bin sehr gern bei dir.
Lass uns zusammen sein bis zum Begraben.
Ich liebe dich heißt auch:
Sei zu mir gut,
mach mir das Leben leicht,
das ich nicht zwinge.
Wenn ich allein wär´, fehlte mir der Mut.
Ich liebe dich, mach, dass es mir gelinge.
Ich liebe dich heißt auch:
Es macht mich stolz,
dass du mich mehr als andere begehrst.
Und dass du mir, nur mir
und keinem sonst,
in allem, was du bist, allein gehörst.
Ich liebe dich kann heißen:
Sei doch so, wie ich den andren,
den ich suche, sehne.
Erfüll mir meine Träume,
mach mich froh, dass ich bestätigt
durch mein Leben gehe.
Ich liebe dich heißt auch:
Ich will so sein, wie du mich brauchst -
ich will dein Schatten werden.
So nützlich ist dir keiner, ich allein
kann alles für dich tun
auf dieser Erden.
Ich liebe dich heißt immer:
Ich will dich für etwas haben,
das mir Glück verspricht.
Manchmal entsteht daraus:
Wir lieben uns.
Erst dieser Satz hat wirkliches Gewicht.
Alles, was wahr ist,
.
Alles, was wahr ist,
kann leise sein.
Leise reifen die Früchte.
Blätter fallen still.
Stumm deckt der Schnee sie,
sacht friert der See ein -
Tod kommt wie Schlaf.
Zeugung ist schweigend.
Sonnenlicht schreit nicht.
Niemand hört es, wenn der Schnee vergeht.
Alle Gräser kommen aus der Erde -
stumm.
Wenn sich Blüten öffnen,
dröhnt es nicht.
Alles, was wahr ist,
kann leise sein.
Für unser Ohr.
Kein Mensch kann hören,
was die Eule hört.
Sommerlied
Durch deine Haare seh ich Himmel scheinen.
Auf deiner Haut liegt Sonne, und der See
hat zwischen deinen braunen Armen Wellen,
und rings um deinen nackten Fuß ist Klee.
Dort wo du hinschaust, geht ein Wind vorüber,
die Bäume über dir sind von ihm voll.
In deinen Händen riecht die Luft nach Ernte,
als ob die Zeit der Reife kommen soll.
Ich seh dich an und seh durch dich den Sommer.
Ich bin der Gast in dieser Sommerruh.
Ich möchte so noch gerne etwas bleiben.
Der Sommer meint es gut mit mir. Wie du.
Ballade von der bewältigten Vergangenheit IV
Ihr Haar war blond, ihr Blick war blau,
wie Zimt war ihre Haut.
Ihr Leib war so, als hätt ein Gott
Ihn für sich selbst erbaut.
Der junge Jude stand vor ihr,
erschüttert, bloß und blaß.
Ihr Lächeln hielt ihn, wie er war:
Stumm, meereskühl und naß.
Er fiel ihr zu, sie nahm ihn auf.
Ihr Kuß war schwer und still.
Gewaltig treibt die Liebe an,
was sie vereinen will.
Dann kam die Sonne. Mit dem Licht
Kam auch die Menschlichkeit.
Sie tauchten auseinander auf.
Nun lagen sie zu zweit.
Und hatten Namen, Sprache, Land,
und fragten sich danach.
Sie hörte, daß er Pole war,
und deutsch klang, was sie sprach.
Sie hört noch immer, wie er schrie,
als er ins Wasser sprang.
Man fand sie bald. Sie lag am Meer
Wie angespülter Tang,
Er kam nie wieder. Sie genas
Nach langer Dunkelheit.
Sie fürchtet sich vor jedem Meer
Und hört nur, wie er schreit.
Sie weiß nicht, wer ihr Liebster war,
sie sieht nur sein Gesicht
und sieht, wie er im Meer versank.
Fragt nicht. Sie hört Euch nicht.
Kein Gott
Ich lebe jetzt. Mein Tod ist zu erwarten.
Danach vergehe ich so schnell wie Gras.
Von mir bleibt nur, was andere verwenden
zu ihrem Nutzen und zu ihrem Spaß.
Gedanken, Verse, ein paar Gegenstände,
durch mich entstanden, bleiben in der Welt.
Für eine Weile kann man sie noch brauchen,
bis das, was keinem nützlich ist, zerfällt.
Ich habe keinen Gott. Für alle Taten,
die ich begehe, muss ich Täter sein.
Kein Weltenrichter wartet, mich zu strafen –
für jeden Irrtum steh ich selber ein.
Ich habe keinen Vater, der mich tröstet.
Es gibt kein Wort, das unumstößlich ist.
Mich stützt kein Glaube. Keine weise Fügung
besitzt ein Maß, das meinen Nutzen misst.
Ich denke selbst. Ich habe keine Rettung
vor meinen Zweifeln, wenn die Furcht mich schreckt.
Ich hab die Grenzen meiner Höhn und Tiefen
in meinen eignen Träumen abgesteckt.
Ich hänge ab von der Natur von Menschen,
von allen Kräften für und gegen mich.
Die Welt, in der ich bin, ist gut und böse,
doch weiß ich – alles um mich ändert sich.
Nichts bleibt sich gleich. Wer wagt, sich einzurichten,
der richtet sich für Augenblicke ein.
In einer Welt, bestehend aus Bewegung,
da kann ich selber nur Bewegung sein.
Ich fürchte Menschen. Was sind Eis, was Fluten,
was Pest und Feuer gegen die Gewalt
des Untiers Mensch? Die Schreie seiner Opfer
sind, seit es Menschen gibt, noch nie verhallt.
Ich liebe Menschen mehr als alle Tiere.
Sie suchen unaufhörlich einen Sinn
für ihr Vorhandensein, verstrickt in Irrtum.
Es macht mich froh, dass ich beteiligt bin.
Ich bin allein. Für kurze Augenblicke
bin ich Geliebter, Bruder oder Freund.
Um eine Arbeit, eine Lust zu machen,
wenn sich ein Weg mit meinem Weg vereint.
Auf dieser Erde leben Ungezählte,
aus denen gleiche Furcht und Hoffnung spricht.
Ich weiß um sie. In glücklichen Sekunden
seh ich mitunter einem ins Gesicht.
Da ist kein Mensch und keine Macht vorhanden,
nichts, das mich ganz für sich gewinnen kann.
Ich füge mich der Stärke und der Schwäche.
Nur wer mich tötet, hält mein Suchen an.
Ich bin missbrauchbar, ich bin zu gebrauchen,
denn ich muss sein und suche meinen Wert.
Ich will mich nähren, ich muss mich behausen.
Und über Preise wurde ich belehrt.
Solange ich lebe, arbeite und liebe,
solange sich mein Geist, mein Blut noch regt,
bin ich dem Wesen meiner Zeit verhaftet,
denn mich bewegt, was meine Zeit bewegt.
Ich denke noch, und bin noch zu belehren.
Ich suche zweifelnd weiter nach dem Sinn,
der uns zu Menschen macht, wer will mich hindern,
die Welt zu lieben, bis ich nicht mehr bin.