SCHUBERT, Helga



Vom Aufstehen

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Er aber liebt den Fluss seiner Kindheit, den Bober: Eine geborgene, eine übersichtliche Landschaft. Erst nach einer langen ruhigen Weile fließt der Bober in die Oder. Eine Wiese am Ufer, eine schmale Brücke, das gegenüberliegende Ufer ganz nah.

Schon mit siebzehn musste er als Soldat in den Krieg, das erzählt er immer wieder voll Traurigkeit, weg von dem Mädchen und für immer weg von seinem Fluss. Bald in einem anderen Land, mit anderem fremden Namen: Bobr. Ohne e. Aber es blieb in ihm die Sehnsucht nach dem nahen gegenüberliegenden Ufer, dem ruhigen Wasser. Später das behäbige Segelboot auf dem Havelsee bei Berlin, noch später unsere Bootsfahrten durch die Kanäle, die Schleusen.

Jetzt schiebe ich ihn manchmal mit dem Rollstuhl aus unserem Dorfhaus bis zum Ende des Wiesenwegs an den kleinen See mit dem Schwingmoor in der Mitte, mit Trauer- seeschwalben und Schwänen und Tauchern und Wildenten, über uns ein Milan. Es ist eine große Stille hier, eine Geborgenheit, wenn man die Nachrichten vergisst.

Immer die Sehnsucht nach dem nahen anderen Ufer. Sein ganzes Leben lang.

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