KELLER, Gotfried



Der grüne Heinrich

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Denn eines Tages geschah es, daß das ganze Dorf in große Bewegung gesetzt wurde durch die Ankunft eines schönen, schlanken Mannes, der einen feinen grünen Frack trug nach dem neuesten Schnitte, eng anliegende weiße Beinkleider und glänzende Suwarowstiefel mit gelben Stulpen. Wenn es regnerisch aussah, so führte er einen rotseidenen Schirm mit sich, und eine große goldene Uhr von feiner Arbeit gab ihm in den Augen der Bauern einen ungemein vornehmen Anstrich. Dieser Mann bewegte sich mit einem edeln Anstande in den Gassen des Dorfes umher und trat freundlich und leutselig in die niederen Türen, verschiedene alte Mütterchen und Gevattern aufsuchend, und war niemand anders als der weitgereiste Steinmetzgeselle Lee, welcher seine lange Wanderschaft ruhmvoll beendigt hatte. Man kann wohl sagen ruhmvoll, wenn man bedenkt, daß er vor zwölf Jahren, als ein vierzehnjähriger Knabe, arm und bloß aus dem Dorfe gewandert war, hierauf bei seinem Meister die Lehrzeit durch lange Arbeit abverdienen mußte, mit einem dürftigen Felleisen und wenig Geld in die Fremde zog und nun solchergestalt als ein förmlicher Herr, wie ihn die Landleute nannten, zurückkehrte. Denn unter dem niedern Dache seiner Verwandten standen zwei mächtige Kisten, von denen die eine ganz mit Kleidern und feiner Wäsche, die andere mit Modellen, Zeichnungen und Büchern angefüllt war. Es gab etwas Schwungvolles in dem ganzen Wesen des etwa sechsundzwanzig Jahre alten Mannes; seine Augen glühten wie von einem anhaltenden Glanze innerer Wärme und Begeisterung, er sprach immer hochdeutsch und suchte das Unbedeutendste von seiner schönsten und besten Seite zu fassen. Er hatte ganz Deutschland vom Süden bis zum Norden durchreist und in allen großen Städten gearbeitet; die Zeit der Befreiungskriege in ihrem ganzen Umfange fiel mit seinen Wanderjahren zusammen, und er hatte die Bildung und den Ton jener Tage in sich aufgenommen, insofern sie ihm verständlich und zugänglich waren; vorzüglich teilte er das offene und treuherzige Hoffen der guten Mittelklassen auf eine bessere, schönere Zeit der Wirklichkeit, ohne von den geistigen Überfeinerungen und Wunderseligkeiten etwas zu wissen, die in manchen Elementen dazumal durch die höhere Gesellschaft wucherten.
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