SCHWARZ, Sibylla


Nacht-Klage


Das große Liecht der Welt entzeücht sich nun der Erden /

und eylet fort ins Meer / mit seinen müden Pferden;

man hängt die Fenster zu / weil Morpheus komt heran /

eß sehnt sich nach dem Schlaff / was Odem blasen kan;

Man sieht der Sternen Heer mit ihrem Golde prangen;

Auch Luna zeiget uns das Silber ihrer Wangen

die Schaffe gehn zu Stall / der Schäffer geht zur Ruh;

eß regt sich niemand mehr / die Blumen tuhn sich zu;

Die Welt ist schon zu Bett / umringt mit vielen Träumen /

Ich aber nur allein / ich geh hier bey den Bäumen /

da weit und breit herum / der Tau / das Kind der Nacht /

sampt meiner Zehren=qvell die Gräser feüchter macht.

Hier lass ich mein Gedicht / mein Traurgedicht erklingen /

und hebe niedrig an / auff Deutsch also zu singen.


Hochzeit Gedicht


Der Himmel gönnet Euch/ Ihr lieben/ Ewre Lust/

warum dan sollten wir/ nicht frölich itzt erscheinen/

und frewen uns mit Euch/ eß will euch nicht verneinen

die Venus ihre Frewd/ die mir noch unbewust;


Die Sonne scheinet hell/ die Schaffe frewen sich;

Wir können mehr nicht ruhn/ alß wündschen euch von Hertzen/

was Ewer Herze will/ und wann ihr dann ohn Schmerzen

in stetter Frewde lebt/ so dencket auch an mich.


So dencket Jungfrau Braut/ waß euer Faunus machet/

der traurig frölich ist/ und gleichsam weinend lachet/

Gedenkt an Euren Freund/ gedenkt an seine Noht!


Wer hette doch gehofft/ wer hette durfften sagen/

daß ein getreuer Sinn gelohnet wird mit Plagen/

Nun/ nun gehabt Euch wohl/ und denkt an meinen Todt.



Ist Lieben keusch...


Ist Lieben keusch? wo kompt denn Ehbruch her?

Ist Lieben guht / nichts böses drinn zu finden /

wie kann sein Feur dan so gahr viel entzünden?

Ist Lieben Lust / wer bringt dan das Beschwär?

Wer Lieben liebt / fährt auff der Wollust Meer /

und lässet sich ins Todes Netze binden /

das nicht zerreist / er lebet nuhr den Sünden /

liebt Eitelkeit / und ist der Tugend leer.

Das ewig lebt / dem stirbt er gäntzlich ab /

sieht seine Noht erst / wan er siht sein Grab.

Wer dan nuhn wird in Liebes Brunst gefunden /

der fliehe bald / und hasse / die er liebt;

ist Lieb ihm süß? so werd er drümb betrübt;

ist sie sein Brodt? so geb er sie den Hunden.


Liebe schont der Götter nicht


Liebe schont der Götter nicht /

sie kan alles überwinden /

sie kan alle Herzen binden /

durch der Augen klahres Licht.

Selbst des Phebus Hertze bricht /

seine Klahrheit muß verschwinden /

er kan keine Ruhe finden /

weil der Pfeil noch in ihm sticht.

Jupiter ist selbst gebunden /

Hercules ist überwunden

durch die bittersüsse Pein;

wie dan können doch die Herzen

bloßer Menschen dieser Schmerzen

gantz und gahr entübrigt seyn?



Die Lieb ist blind


DIe Lieb ist blind / und gleichwohl kan sie sehen /

hat ein Gesicht / und ist doch stahrenblind /

sie nennt sich groß / und ist ein kleines Kind /

ist wohl zu Fuß / und kan dannoch nicht gehen.

Doch diss muß man auff ander' art verstehen:

sie kan nicht sehn / weil ihr Verstand zerrint /

und weil das Aug des Herzens ihr verschwindt /

so siht sie selbst nicht / was ihr ist geschehen.

Das / was sie liebt / hat keinen Mangel nicht /

wie wohl ihm mehr / als andern / offt gebricht.

Das / was sie liebt / kan ohn Gebrechen leben;

doch weil man hier ohn Fehler nichtes find /

so schließ ich fort: Die Lieb ist sehend blind:

sie siht selbst nicht / und kans Gesichte geben.


Ist Lieb ein Feuer

Ist Lieb ein Feuer, und kan das Eisen schmiegen,

bin ich voll Feuer, und voller Liebes Pein,

wohrvohn mag doch der Liebsten Hertze sein?

wans eisern wär, so würd eß mir erliegen,


wans gülden wär, so würd ichs können biegen,

durch meine Gluht; solls aber fleischern sein,

so schließ ich fort: Eß ist ein fleischern Stein:

doch kan mich nicht ein Stein, wie sie, betriegen.


Ists dan wie Frost, wie kalter Schnee und Eiß,

wie presst sie dann auß mir den Liebesschweiß?

Mich deucht: Ihr Herz ist wie die Loorberblätter,


die nicht berührt ein starcker Donnerkeil,

sie, sie verlacht, Cupido, deine Pfeil;

und ist befreit für deinem Donnerwetter.


Mein Alles ist dahin


Mein Alles ist dahin, mein Trost in Lust und Leiden

mein ander Ich ist fort, mein Leben, meine Zier

mein Liebstes auff der Welt ist wegk, ist schon vohn hier.

(die Lieb ist bitter zwahr, viel bittrer ist das Scheiden)


Ich kann nicht von dir seyn, ich kann dich gantz nicht meiden,

O liebste Dorile! Ich bin nicht mehr bey mir

Ich bin nicht der ich bin, nun ich nicht bin bey dir.

Ihr Stunden lauft doch fort, wolt ihr mich auch noch neiden?


Ey Phoebus halte doch die schnelle Hengste nicht!

fort, fort, ihr Tage fort, komb bald du Monden Licht!

Ein Tag ist mir ein Jahr, in dem ich nicht kann sehen


mein ander Sonnenlicht! fort, fort, du faule Zeit,

spann doch die Segel auff, und bring mein Lieb noch heut,

und wan sie hier dan ist, so magstu langsam gehen.



Faunus


Ob das heist treue sein / wan man den Liebsten tödten

und ganz verstoßen wil / das Ding versteh ich nicht;

Getreue Liebe steht / wenn alles kracht und bricht /

Getreue Liebe bleibt getreu in allen Nöhten /

getreue Liebe liebt auch einen nur allein /

getreue Liebe kan nicht Wetterwendisch sein.


Getreue Liebe pflegt sich auff Bestandt zu gründen /

Wer aber diesen sagt / und gleichwohl jenen meint /

Wer einen andern liebt / und nent mich seinen Freund /

bei dem ist nimmermehr ein treues Glied zu finden;

nun wohl / o Daphne / las dir diß genugsam sein /

betrübe dich mit mir / und denck an meine Pein!


Nim meinen armen Geist / wenn er den Leib muß lassen /

in deinen zarten Schoß / so wird sich meine Noht /

wo ja nicht anders sonst / doch enden in dem Todt;

Im Tode wirstu mich / mein Leben / ja nicht hassen;

das ist mein höchster Trost / diß Feld / diß edle Feld /

sol meine Grabstadt sein / dazu ichs längst erwählt.


Diana mach mein Grab mit deinen Jägerinnen /

und / Flora / tu dich doch nach schönen Blumen um /

die streu ist um mein Grab und blasse Leich herum:

begrabt / begrabt mich hir / Ihr andern Waldgöttinen /

Ihn Nymphen höret doch mein leztes Lied jezt an /

Hört / wie ich den Gesang der Schwannen singen kan!


Nehmt schönen Timian / nehmt Nelcken und Narzissen /

nehmt Cyperessen Kraut / nehmt schönen Majoran /

bestrewet mir mein Grab mit fremdem Tulipan /

Ihr zarten Najaden / begrabt mich bei den Flüssen /

tanzt um mein Grab herum / und singet denn dabei /

hier ligt der treulich liebt / und nicht geliebt ward treu.


Nun Daphne gute Nacht / nun ist mein Lauff erfüllet /

Ich habe dir gelobt / zu lieben bis ins Grab /

wohlan ich liebe noch / und scheid auch jezund ab /

so wird die Liebes-Noht zu dieser Zeit gestillet
…..



Hier hab ich nun mein sehnliches Verlangen


Hier hab ich nun mein sehnliches Verlangen :

hier liegt mein Lieb / hier ligt mein ander ich :

hier gebt das Glück sich selbst gefangen mich :

hier mag ich nun mein Lieb vielmahl umfangen :


hier mag ich nun auch küssen seine Wangen :

Cupido hört mein Klagen inniglich /

und wil nun auch so hülffreich zeigen sich ;

Nun mag ich wohl mit meinem Glücke prangen ;


die Venus zeigt mir jezt ein guhtes Ziel /

ich wil nur selbst / nicht was ich gerne wil ;

O Blödigkeit / du must nur von mir weichen !


weil du hier bist / wärt meine grosse Pein ;

Wer lieben wil / mus nicht so blöde sein /

sonst kan er nicht der Liebe Lohn erreichen.



O Möcht ich jetzt


O Möcht ich jetzt doch schön vohn deiner Schönheit singen!

O Edle halb Göttin! dann deine hohe Zier

scheint wie der Sonnen Licht / und nehmt mich selber mir.

Ich wil dein hohes Lob ans Dach des Himmels bringen /


da soltu durch den Neid und alle Missgunst dringen.

Dein schöner Augenglantz bricht wie die Sonn herfür /

dein Purpur Angesicht / und was noch sonst bei dir /

ist Göttlich üm und an / du kanst die Hertzen zwingen.


Dein Mund ist Rosenrot / die Brust Albasterstein /

du magst / O Galate / die andre Venus sein /

das zeugt deine Zier / dein lieblich Sehn / dein Lachen /


du bist der Nimphen Zier; ein Weib / das einen Mann

so bald er sie anschaut / mit Liebe töten kan /

ist deiner Schönheit Licht noch nicht einst gleich zu machen.