GEORGE, Stefan
Wenn dich meine wünsche umschwärmen
Wenn dich meine wünsche umschwärmen
Mein leidender hauch dich umschwimmt –
Ein tasten und hungern und härmen:
So scheint es im tag der verglimmt
Als dränge ein rauher umschlinger
Den jugendlich biegsamen baum ·
Als glitten erkaltete finger
Auf wangen von sonnigem flaum.
Doch schliessen die schatten sich dichter
So lenkt der gedanke dich zart.
Dann gelten die klänge und lichter ·
Dann ist uns auf unserer fahrt:
Es schüttle die nacht ihre locken
Wo wirbel von sternen entfliegt ·
Wir wären von klingenden flocken
Umglänzt und geführt und gewiegt.
Mich hoben die träume und mären
So hoch dass die schwere mir wich –
Dir brachten die träume die zähren
Um andre um dich und um mich ...
Nun wird diese seele dir lieber
Die bleiche von duldungen wund ·
Nun löscht sein verzehrendes fieber
Mein mund in dem blühenden mund.
Der Täter
Ich lasse mich hin vorm vergessenen fenster: nun tu
Die flügel wie immer mir auf und hülle hienieden
Du stets mir ersehnte du segnende dämmrung mich zu
Heut will ich noch ganz mich ergeben dem lindernden frieden.
Denn morgen beim schrägen der strahlen ist es geschehn
Was unentrinnbar in hemmenden stunden mich peinigt
Dann werden verfolger als schatten hinter mir stehn
Und suchen wird mich die wahllose menge die steinigt.
Wer niemals am bruder den fleck für den dolchstoss bemass
Wie leicht ist sein leben und wie dünn das gedachte
Dem der von des schierlings betäubenden körnern nicht ass!
O wüsstet ihr wie ich euch alle ein wenig verachte!
Denn auch ihr freunde redet morgen: so schwand
Ein ganzes leben voll hoffnung und ehre hienieden..
Wie wiegt mich heute so mild das entschlummernde land
Wie fühl ich sanft um mich des abends frieden
Der Krieg
Zu jubeln ziemt nicht: kein triumf wird sein ·
Nur viele untergänge ohne würde ..
Des schöpfers hand entwischt rast eigenmächtig
Unform von blei und blech · gestäng und rohr.
Der selbst lacht grimm wenn falsche heldenreden
Von vormals klingen der als brei und klumpen
Den bruder sinken sah · der in der schandbar
Zerwühlten erde hauste wie geziefer ..
Der alte Gott der schlachten ist nicht mehr.
Erkrankte welten fiebern sich zu ende
In dem getob. Heilig sind nur die säfte
Noch makelfrei versprizt – ein ganzer strom.
Komm in den totgesagten park und schau
Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade -
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.
Dort nimm das tiefe gelb - das weiche grau
Von birken und von buchs - der wind ist lau -
Die späten rosen welkten noch nicht ganz -
Erlese küsse sie und flicht den kranz -
Vergiss auch diese letzten astern nicht-
Den purpur um die ranken wilder reben -
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.
Wir schreiten auf und ab im reichen flitter
Wir schreiten auf und ab im reichen flitter
Des buchenganges beinah bis zum tore
Und sehen aussen in dem feld vom gitter
Den mandelbaum zum zweitenmal im flore.
Wir suchen nach den schattenfreien bänken
Dort wo uns niemals fremde stimmen scheuchten ·
In träumen unsre arme sich verschränken ·
Wir laben uns am langen milden leuchten
Wir fühlen dankbar wie zu leisem brausen
Von wipfeln strahlenspuren auf uns tropfen
Und blicken nur und horchen wenn in pausen
Die reifen früchte an den boden klopfen
Es lacht in dem steigenden jahr dir
Es lacht in dem steigenden jahr dir
Der duft aus dem garten noch leis.
Flicht in dem flatternden haar dir
Eppich und ehrenpreis.
Die wehende saat ist wie gold noch ·
Vielleicht nicht so hoch mehr und reich ·
Rosen begrüssen dich hold noch ·
Ward auch ihr glanz etwas bleich.
Verschweigen wir was uns verwehrt ist ·
Geloben wir glücklich zu sein ·
Wenn auch nicht mehr uns beschert ist
Als noch ein rundgang zu zwein.
Vogelschau
Weisse schwalben sah ich fliegen ·
Schwalben schnee- und silberweiss ·
Sah sie sich im winde wiegen ·
In dem winde hell und heiss.
Bunte häher sah ich hüpfen ·
Papagei und kolibri
Durch die wunder-bäume schlüpfen
In dem wald der Tusferi.
Grosse raben sah ich flattern ·
Dohlen schwarz und dunkelgrau
Nah am grunde über nattern
Im verzauberten gehau.
Schwalben seh ich wieder fliegen ·
Schnee- und silberweisse schar ·
Wie sie sich im winde wiegen
In dem winde kalt und klar!
Fenster wo ich einst mit dir
F
enster wo ich einst mit dir
Abends in die landschaft sah
Sind nun hell mit fremdem licht.
Pfad noch läuft vom tor wo du
Standest ohne umzuschaun
Dann ins tal hinunterbogst.
Bei der kehr warf nochmals auf
Mond dein bleiches angesicht ..
Doch es war zu spät zum ruf.
Dunkel – schweigen – starre luft
Sinkt wie damals um das haus.
Alle freude nahmst du mit.
Du schlank und rein wie eine flamme
Du schlank und rein wie eine flamme
Du wie der morgen zart und licht
Du blühend reis vom edlen stamme
Du wie ein quell geheim und schlicht
Begleitest mich auf sonnigen matten
Umschauerst mich im abendrauch
Erleuchtest meinen weg im schatten
Du kühler wind du heisser hauch
Du bist mein wunsch und mein gedanke
Ich atme dich mit jeder luft
Ich schlürfe dich mit jedem tranke
Ich küsse dich mit jedem duft
Du blühend reis vom edlen stamme
Du wie ein quell geheim und schlicht
Du schlank und rein wie eine flamme
Du wie der morgen zart und licht
.
Gib mir den grossen feierlichen hauch
Gib mir den grossen feierlichen hauch
Gib jene glut mir wieder die verjünge
Mit denen einst der kindheit flügelschwünge
Sich hoben zu dem frühsten opferrauch.
Ich mag nicht atmen als in deinem duft.
Verschliess mich ganz in deinem heiligtume!
Von deinem reichen tisch nur eine krume!
So fleh ich heut aus meiner dunklen kluft.
Und ER: was jezt mein ohr so stürmisch trifft
Sind wünsche die sich unentwirrbar streiten.
Gewährung eurer vielen kostbarkeiten
Ist nicht mein amt · und meine ehrengift
Wird nicht im zwang errungen · dies erkenn!
Ich aber bog den arm an seinen knieen
Und aller wachen sehnsucht stimmen schrieen:
Ich lasse nicht · du segnetest mich denn.
Der Dichter in Zeiten der Wirren
Dem Andenken des Grafen Bernhard Uxkull
Der Dichter heisst im stillern gang der zeit
Beflügelt kind das holde träume tönt
Und schönheit bringt ins tätige getrieb.
Doch wenn aus übeln sich das wetter braut
Das schicksal pocht mit lauten hammerschlägen
Klingt er wie rauh metall und wird verhört ..
Wenn alle blindheit schlug · er einzig seher
Enthüllt umsonst die nahe not .. dann mag
Kassandra-warnen heulen durch das haus
Die tollgewordne menge sieht nur eins:
Das pferd · das pferd! und rast in ihren tod.
Dann mag profeten-ruf des stammgotts groll
Vermelden und den trab von Assurs horden
Die das erwählte volk in knechtschaft schleppen:
Der weise Rat hat sichreren bericht
Verlacht den mahner · sperrt ihn ins verlies.
Wenn rings die Heilige Stadt umzingelt ist
Bürger und krieger durcheinander rennen
Fürsten und priester drin sich blutig raufen
Um einen besenstiel indes schon draussen
Das stärkste bollwerk fällt: er seufzt und schweigt.
Wenn der erobrer dann mit raub und brand
Hereinstürmt und ins joch zwingt mann und weib
Ein teil wutschäumend seine eigne schuld
Abwälzend auf den andren lädt · ein teil
Entbehrungsmüd sich um die brocken balgt
Die ihm der freche sieger vorwirft · johlend
Und tanzend sich betäubt · am riste leckt
Der tritt und schlägt: Er fernab fühlt allein
Das ganze elend und die ganze schmach.
Geh noch einmal zum berg zu deinen geistern
Und bring uns tröstlicheren spruch der löse
Aus dieser trübsal!.. also spricht ein greis ...
Was soll hier himmels stimme wo kein ohr ist
Für die des plansten witzes? was soll rede
Vom geiste wo kein allgemeiner trieb ist
Als der des trogs? wo jede zunft die andre
Beschimpfend stets ihr leckes boot empfiehlt
Das kläglich scheiterte · heil sucht in mehrung
Ihr lieben tandes? wo die klügsten fabeln
Vom frischen aufbau mit den alten sünden
Und raten: macht euch klein wie würmer dass euch
Der donner schont der blitz euch nicht gewahrt ...
Der ganze stamm der lebenden der hinfuhr
Durch lange irrsal wird vor seinen götzen
Die ihn in staub und niedrigkeit geworfen
So oft sie lügen immer weiter räuchern
Hat seines daseins oberstes gesetz
Hat was ihm den bestand verbürgt vergessen
Glaubt an den Lenker nicht · braucht nicht den Sühner
Will sich mit list aus dem verhängnis ziehn.
Noch härtre pflugschar muss die scholle furchen
Noch dickrer nebel muss die luft bedräun ..
Der blassest blaue schein aus wolkenfinster
Bricht auf die Heutigen erst herein wenn alles
…..
Was eine sprache spricht die hand sich reicht
Um sich zu wappnen wider den verderb –
Gleichviel ob rot ob blau ob schwarz die fahlen
Verschlissnen fahnenfetzen von sich schüttelt
Und tag und nacht nur an die Vesper denkt.
Der Sänger aber sorgt in trauer-läuften
Dass nicht das mark verfault · der keim erstickt.
Er schürt die heilige glut die über-springt
Und sich die leiber formt · er holt aus büchern
Der ahnen die verheissung die nicht trügt
Dass die erkoren sind zum höchsten ziel
Zuerst durch tiefste öden ziehn dass einst
Des erdteils herz die welt erretten soll ..
Und wenn im schlimmsten jammer lezte hoffnung
Zu löschen droht: so sichtet schon sein aug
Die lichtere zukunft. Ihm wuchs schon heran
Unangetastet von dem geilen markt
Von dünnem hirngeweb und giftigem flitter
Gestählt im banne der verruchten jahre
Ein jung geschlecht das wieder mensch und ding
Mit echten maassen misst · das schön und ernst
Froh seiner einzigkeit · vor Fremdem stolz ·
Sich gleich entfernt von klippen dreisten dünkels
Wie seichtem sumpf erlogner brüderei
Das von sich spie was mürb und feig und lau
Das aus geweihtem träumen tun und dulden
Den einzigen der hilft den Mann gebiert ..
Der sprengt die ketten fegt auf trümmerstätten
Die ordnung · geisselt die verlaufnen heim
Ins ewige recht wo grosses wiederum gross ist
Herr wiederum herr · zucht wiederum zucht · er heftet
Das wahre sinnbild auf das völkische banner
Er führt durch sturm und grausige signale
Des frührots seiner treuen schar zum werk
Des wachen tags und pflanzt das Neue Reich.