WESENDONCK, Mathilde


Träume


Sag, welch wunderbare Träume

Halten meinen Sinn umfangen,

Daß sie nicht wie leere Schäume

Sind in ödes Nichts vergangen?


Träume, die in jeder Stunde,

Jedem Tage schöner blühn,

Und mit ihrer Himmelskunde

Selig durchs Gemüte ziehn!


Träume, die wie hehre Strahlen

In die Seele sich versenken,

Dort ein ewig Bild zu malen:

Allvergessen, Eingedenken!


Träume, wie wenn Frühlingssonne

Aus dem Schnee die Blüten küßt,

Daß zu nie geahnter Wonne

Sie der neue Tag begrüßt,


Daß sie wachsen, daß sie blühen,

Träumend spenden ihren Duft,

Sanft an deiner Brust verglühen,

Und dann sinken in die Gruft.