BRASCH, Thomas



Liebeslied


O, wie ist das schön,

so mit Seufz und Stöhn,

so die Beine breit,

wird der Himmel weit.

Was man alles kann,

ist der Mann ein Mann.


Geh ich auf die Knie

frag nicht wer noch wie

frag nicht Zeit noch Sin

leg mich einfach hin

so mit Zart und Rauh

fühl ich mich als Frau


Schließ die Augen zu

sag nicht ICH nicht DU

weiß nicht, wer wir sind

wird zum Sturm der Wind

wird die Lust zur Gier

und das Mensch endlich zum Tier.


Was ich habe, will ich nicht verlieren


Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber

wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber

die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber

die ich kenne, will ich nicht mehr sehen aber

wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber

wo ich sterbe, da will ich nicht hin:

Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin


Der schöne 27. September

Ich habe keine Zeitung gelesen.

Ich habe keiner Frau nachgesehn.

Ich habe den Briefkasten nicht geöffnet.

Ich habe keinem einen Guten Tag gewünscht.

Ich habe nicht in den Spiegel gesehn.

Ich habe mit keinem über alte Zeiten gesprochen und

mit keinem über neue Zeiten.

Ich habe nicht über mich nachgedacht.

Ich habe keine Zeile geschrieben.

Ich habe keinen Stein ins Rollen gebracht.



Schlaflied für K.


Nacht oder Tag oder jetzt

Will ich bei dir liegen

Vom schlimmsten Frieden gehetzt

Zwischen zwei Kriegen


Ich oder wir oder du

Denken ohne Gedanken

Schließ deine Augen zu

Siehst du die Städte schwanken


In den Traum oder Tod oder Schlaf

Komm in den Steingarten

wo ich dich nie traf

will ich jetzt auf dich warten