BACHMANN, Ingeborg



Das dreissigste Jahr

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August! Da waren sie, die Tage aus Eisen, die in der Schmiede zum Glühen gebracht wurden. Die Zeit dröhnte.

Die Strände waren belagert, und das Meer wälzte nicht mehr seine Wellenheere heran, sondern täuschte Erschöpfung vor, die tiefe, blaue.

Am Rost, im Sand, gebraten, geflammt: das leicht verderbliche Fleisch des Menschen.

Ihm war angst, weil der Sommer sich so verausgabte. Weil das bedeutete, dass bald der Herbst kam. Der August war voll Panik, voll Zwang, zuzugreifen und schnell zu leben.

In den Dünen liessen sich, die Frauen umarmen, hinter den Felsen, in den Kabinen, in den Autos, die unter den Pinienschatten standen; selbst in der Stadt, hinter den herabgelassenen Persianen am Nachmittag, boten sie sich im Halbschlaf an, oder sie blieben, eine Stunde später, auf dem Corso mit ihren hohen Absätzen hängen im aufgeweichte Asphalt der flautenstillen Strassen und griffen, Halt suchend, nach einem Arm, der vorüberstreifte; Kein Wort wurde in diesem Sommer gesprochen. Kein Name genannt.

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Malina

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Mein Vater ist außer sich, er schreit empört: Diese Wahnsinnige soll endlich aufhören oder verschwinden, sie soll sofort verschwinden, sonst wacht mein kleines Krokodil auf! Tanzend nähere ich mich dem Krokodil, ich ziehe ihm mein gestohlenes Hemd aus Sibirien und meine Briefe nach Ungarn weg, ziehe ihm, was mir gehört, aus seinem schläfrigen, gefährlichen Rachen, auch den Schlüssel möchte ich wiederhaben, und ich will schon lachen, ihn von dem Krokodilszahn nehmen und weitertanzen, aber mein Vater nimmt mir den Schlüssel. Er nimmt mir, zu allem anderen, auch noch den Schlüssel, es ist der einzige Schlüssel! Mir bleibt die Stimme weg, ich kann nicht mehr rufen: Ivan, so hilf mir doch, er will mich töten! An dem größten Zahn von dem Krokodil hängt noch ein Brief von mir, kein sibirischer Brief, kein ungarischer Brief, ich sehe mit Entsetzen, an wen dieser Brief gerichtet ist, denn ich kann den Anfang lesen: Mein geliebter Vater, du hast mir das Herz gebrochen. Krakkrak gebrochen damdidam meines gebrochen mein Vater krak krak rrrrak dadidam Ivan, ich will Ivan, ich meine Ivan, ich liebe Ivan, mein geliebter Vater. Mein Vater sagt: Schafft dieses Weib fort!

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