HEBBEL, Friedrich



Maria Magdalena

…..
Sekretär


Ja, bei solchem Wetter fallen die Eulen aus dem Nest, die Fledermäuse bringen sich um, weil sie fühlen, daß der Teufel sie gemacht hat, der Maulwurf bohrt sich so tief in die Erde ein, daß er den Weg zurück nicht mehr findet und jämmerlich ersticken muß, wenn er sich nicht bis zur anderen Seite durchfrißt und in Amerika wieder zum Vorschein kommt. Heute tut jede Korn-Ähre einen doppelten Schuß, und jede Mohnblume wird noch einmal so rot, wie sonst, wenn auch nur aus Scham, daß sies noch nicht ist. Soll der Mensch zurückbleiben? Soll er den lieben Gott um den einzigen Zins betrügen, den seine Welt ihm abwirft, um ein fröhlich Gesicht und um ein helles Auge, das all die Herrlichkeit abspiegelt und verklärt zurück gibt? Wahrhaftig, wenn ich des Morgens diesen oder jenen Hocker aus seiner Tür hervorschleichen sehe, die Stirn in Falten heraufgezogen und den Himmel anglotzend, wie einen Bogen Löschpapier, dann denk ich oft: es gibt gleich Regen, Gott muß, er kann nicht umhin, den Wolken-Vorhang niederlassen, um sich nur über die Fratze nicht zu ärgern. Man sollte die Kerls als Hintertreiber von Lustpartien, als Verderber des Erntewetters, vor Gericht belangen können. Wodurch willst du denn für das Leben danken, als dadurch, daß du lebst? Jauchze, Vogel, sonst verdienst du die Kehle nicht!

…..
Meister Anton.


Mein Vater arbeitete sich, weil er sich Tag und Nacht keine Ruhe gönnte, schon in seinem dreizigsten Jahre zu Tode, meine arme Mutter ernährte mich mit Spinnen, so gut es ging, ich wuchs auf, ohne etwas zu lernen, ich hätte mir, als ich größer wurde, und doch noch immer Nichts verdienen konnte, wenigstens gern das Essen abgewöhnt, aber wenn ich mich auch des Mittags zuweilen krank stellte und den Teller zurückschob, was wollte es bedeuten? am Abend zwang mich der Magen, mich wieder für gesund zu erklären. Meine größte Pein war, daß ich so ungeschickt blieb, ich konnte darüber mit mir selbst hadern, als ob's meine eigene Schuld wäre, als ob ich mich in Mutterleibe nur mit Freßzähnen versehen, und alle nützliche Eigenschaften und Fertigkeiten, wie absichtlich, dann zurückgelassen hätte, ich konnte roth werden, wenn mich die Sonne beschien. Gleich nach meiner Confirmation trat der Mann, den sie gestern begraben haben, der Meister Gebhard, zu uns in die Stube. Er runzelte die Stirn und verzog das Gesicht, wie er immer that, wenn er etwas Gutes beabsichtigte, dann sagte er zu meiner Mutter: hat Sie Ihren Jungen in die Welt gesetzt, daß er Ihr Nase und Ohren vom Kopf fressen soll? Ich schämte mich, und legte das Brot, von dem ich mir gerade ein Stück abschneiden wollte, schnell wieder in den Schrank, meine Mutter ärgerte sich über das wohlgemeinte Wort, sie hielt ihr Rad an und versetzte hitzig, ihr Sohn sey brav und gut. Nun, das wollen wir sehen, sagte der Meister, wenn er Lust hat, kann er gleich, wie er da steht, mit mir in die Werkstatt gehen, Lehrgeld verlang' ich nicht, die Kost bekommt er, für Kleider will ich auch sorgen, und wenn er früh aufstehen und spät zu Bette gehen will, so soll's ihm an Gelegenheit, hin und wieder ein gutes Trinkgeld für seine alte Mutter zu verdienen, nicht fehlen. Meine Mutter fing zu weinen an, ich zu tanzen, als wir endlich zu Wort kamen, hielt der Meister sich die Ohren zu, schritt hinaus und winkte mir. Den Hut braucht' ich nicht aufzusetzen, denn ich hatte keinen, ohne der Mutter auch nur Adjes zu sagen, folgt' ich ihm, und als ich am nächsten Sonntag zum ersten Mal auf ein Stündchen zu ihr zurück durfte, gab er mir einen halben Schinken für sie mit. Gottes Segen in des braven Mannes Gruft! Noch hör' ich sein halbzorniges: Tonerl, unter die Jacke damit, daß meine Frau es nicht sieht!

…..