LINK, Charlotte
Im Tal des Fuchses
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Sie stiegen aus. Warme Luft schlug ihnen entgegen. Die Klimaanlage im Wagen hatten sie auf zwanzig Grad gestellt, draußen mussten es noch an die vierundzwanzig Grad sein. Es gab keine einzige Wolke am lichtblauen Himmel. Es war einer jener Sommertage, von denen man den ganzen Winter über träumen konnte.
Weißt du noch, dieser herrliche Augustsonntag? Dieser einsame Rastplatz am Ende der Welt … Nichts als Ruhe und Wärme …
Nein, so würden sie nicht sprechen, dachte Vanessa. Jenen Sonntag würden sie wohl stets nur mit ihrem Streit in Verbindung bringen. Wie auch immer sich die Dinge am Ende entschieden, sie würden sich an eine lange Fahrt von Holyhead hinunter nach Swansea erinnern und daran, dass sie die meiste Zeit über debattiert hatten. Und dass Matthew schließlich allein eine Runde mit Max gedreht hatte, während sie, Vanessa, am Auto blieb, weil sie so zornig auf ihn war, dass sie nicht mitgehen mochte.
Es gab einen Trampelpfad, der zunächst ein kleines Stück in ein Tal hinunterführte, dann jedoch einen scharfen Bogen nach links um den Hügel herum schlug und von dort an vom Parkplatz aus nicht mehr zu sehen war. Vanessa blickte Matthew und Max nach, wie sie um die Ecke verschwanden; Max, der sich noch ein paar Mal unruhig nach seinem Frauchen umgesehen hatte, schließlich in großen Sprüngen vorneweg, Matthew langsamer hinterher. An Matthews sehr geraden Schultern konnte sie ablesen, wie verärgert auch er noch war. Klar, er fühlte sich unverstanden. Brachte aber selbst keinerlei Verständnis auf. Wahrscheinlich würde er nun ziemlich lange mit dem Hund unterwegs sein. Matthew brauchte immer Bewegung, wenn er Stress hatte, meistens kam er dann aber viel gelöster und ausgeglichener zurück.
Sie schlenderte langsam vom Auto zu dem Picknicktisch hinüber, setzte sich auf die Bank, deren Holz warm war von der Sonne. Das Abendlicht war so sanft, dass es nicht mehr blendete. Sie blickte über das flache Tal, das weit war, wellig und sehr grün. Eine Steinmauer zog sich an seiner Nordseite entlang, dann schloss sich eine kleine Baumgruppe an. Ansonsten gab es nur flache Ginsterbüsche, die jetzt von einem etwas verstaubten Grün waren. Im April, wenn sie blühten, musste die Gegend wie überschwemmt sein von gelben Farbklecksen.
Wie schön es hier war! Vanessa überlegte, dass sie viel öfter hierherkommen sollten. Die einzelnen Gebiete des Nationalparks lagen gar nicht so weit von Swansea entfernt, aber sie konnte es an einer Hand abzählen, wie oft sie und Matthew in den vergangenen fünfzehn Jahren den Weg dorthin gefunden hatten. Und dann hatte es sie immer an die Küste zum Schwimmen gezogen. Vielleicht sollten sie für den Herbst ein Wanderwochenende planen. Auch Max würde sich freuen, er ging so gerne spazieren. Na ja, vielleicht bereiteten sie da auch schon ihren Umzug nach London vor.
London.
Ich will nicht weg von allem, was ich kenne, dachte sie, und ich will auch keine Wochenendbeziehung, Matthew in London und ich in Swansea … Das ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe …
Gleichzeitig fragte sie sich, ob dieses Festhalten am Vertrauten die richtige Einstellung war für eine siebenunddreißigjährige Frau. Musste man in ihrem Alter nicht noch beweglicher sein? Flexibler? Erlebnishungriger?
Neugieriger?
Sie war so sehr in ihre Gedanken vertieft, dass sie kaum merkte, wie die Zeit verstrich. Zwei- oder dreimal hörte sie ein Auto oben auf der Landstraße vorbeifahren, sonst blieb alles ruhig. Gerade als sie endlich auf die Uhr schaute und feststellte, dass Matthew und Max nun schon seit fast zwanzig Minuten fort waren, hörte sie erneut ein Auto kommen. Es wurde langsamer, als es die Höhe des Rastplatzes erreicht hatte, beschleunigte dann, bremste jedoch ein Stück weiter schon wieder ab. Vanessa wandte sich um, sah aber nichts. Eine mit Hecken bewachsene kleine Anhöhe trennte den Rastplatz von der Straße, erst wenn ein Auto um eine weitere Biegung gefahren war, konnte man es von hier aus sehen. In diesem Moment tauchte es auf. Ein weißer Kastenwagen mit irgendeiner Aufschrift an der Seite, die sie aber auf diese Entfernung nicht lesen konnte. Vanessa erkannte, dass der Wagen sehr langsam fuhr. Jetzt wendete der Fahrer mitten auf der Straße und kam wieder zurück. Er verließ Vanessas Sichtfeld, aber sie hörte ihn noch immer. Der Wagen schien am Rastplatz geradezu vorüberzuschleichen, beschleunigte dann. Bremste wieder. Vanessa runzelte die Stirn. Wendete er erneut? Wieso fuhr dieses Auto dort oben ständig auf und ab? Und handelte es sich um dasselbe Fahrzeug, das sie schon vorher einige Male gehört, aber nicht weiter beachtet hatte? Sie hörte es schon wieder näher kommen, langsamer werden. Diesmal jedoch bog es offenbar auf den Parkplatz ein. Vanessa drehte sich wieder um, konnte aber nichts sehen.
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