HÖLTY, Ludwig Christoph Heinrich


Das Landleben


Wunderseliger Mann, welcher der Stadt entfloh!

Jedes Säuseln des Baums, jedes Geräusch des Bachs,

Jeder blinkende Kiesel,

Predigt Tugend und Weisheit ihm!


Jedes Schattengesträuch ist ihm ein heiliger

Tempel, wo ihm sein Gott näher vorüberwallt;

Jeder Rasen ein Altar,

Wo er vor dem Erhabnen kniet.


Seine Nachtigall tönt Schlummer herab auf ihn,

Seine Nachtigall weckt flötend ihn wieder auf,

Wenn das liebliche Frühroth

Durch die Bäum' auf sein Bette scheint.


Dann bewundert er dich, Gott, in der Morgenflur,

In der steigenden Pracht deiner Verkünderin,

Der allherrlichen Sonne,

Dich im Wurm, und im Knospenzweig.


Ruht im wehenden Gras, wann sich die Kühl' ergießt,

Oder strömet den Quell über die Blumen aus;

Trinkt den Athem der Blüthe,

Trinkt die Milde der Abendluft.


Sein bestrohetes Dach, wo sich das Taubenvolk

Sonnt, und spielet und hüpft, winket ihm süßre Rast,

Als dem Städter der Goldsaal,

Als der Polster der Städterin.


Und der spielende Trupp schwirret zu ihm herab,

Gurrt und säuselt ihn an, flattert ihm auf den Korb;

Picket Krumen und Erbsen,

Picket Körner ihm aus der Hand.


Einsam wandelt er oft, Sterbegedanken voll,

Durch die Gräber des Dorfs, sezet sich auf ein Grab,

Und beschauet die Kreuze,

Und den wehenden Todtenkranz.


Wunderseliger Mann, welcher der Stadt entfloh!

Engel segneten ihn, als er geboren ward,

Streuten Blumen des Himmels

Auf die Wiege des Knaben aus.


Das Traumbild


Geliebtes Bild, das mir mit Feurentzücken

Die Seele füllt!

Wann werd' ich dich an meinen Busen drücken,

Geliebtes Bild?


Wann mich am Bach', im Wehn der Pappelweide,

Der Schlaf umwallt,

Erscheinst du mir [im weissen Abendkleide,

Du Lichtgestalt!


Du flatterst oft in früher Morgenstunde

Durch mein Gemach,

Und küssest mich mit deinem rothen Munde

Vom Schlummer wach.


Lang glaub' ich noch den Herzenskuß zu fühlen,

Der mich entzückt,

Und mit dem Strauß' an deiner Brust zu spielen,

Der mir genickt.


Jezt seh' ich dich, im Rauschen grüner Linden,

Ein goldnes Band

Um einen Kranz von Tausendschönchen winden

Mit weisser Hand;


Und bald darauf im kleinen Blumengarten,

Wie Eva schön,

Des Rosenbaums, des Nelkenstrauchs zu warten,

Am Beete gehn.


Erblick' ich dich, die ich vom Himmel bitte,

Erblick' ich dich,

So komm, so komm in meine Halmenhütte,

Und tröste mich!


Dir soll ein Beet, wo tausend Blumen wanken,

Entgegenblühn;

Ich will ein Dach von jungen Geisblattranken

Für dich erziehn;


Ins Paradies an deiner Brust mich träumen,

Mein süsses Kind;

Und froher sein, als unter Lebensbäumen

Die Engel sind!


Üb' immer Treu und Redlichkeit


Üb' immer Treu und Redlichkeit

Bis an dein kühles Grab

Und weiche keinen Finger breit

Von Gottes Wegen ab!


Dann wirst du wie auf grünen Au'n

Durch's Pilgerleben gehn

Dann kannst du sonder Furcht und Grau'n

Dem Tod ins Antlitz sehn.


Dann wird die Sichel und der Pflug

In deiner Hand so leicht,

Dann singest du beim Wasserkrug,

Als wär dir Wein gereicht.


Dem Bösewicht wird alles schwer,

Er tue was er tu,

Der Teufel treibt ihn hin und her

Und läßt ihm keine Ruh.


Der schöne Frühling lacht ihm nicht,

Ihm lacht kein Ährenfeld,

Er ist auf Lug und Trug erpicht,

Und wünscht sich nichts als Geld.


Der Wind im Hain, das Laub im Baum

Saust ihm Entsetzen zu,

Er findet, nach des Lebens Raum

Im Grabe keine Ruh.


Drum übe Treu und Redlichkeit

Bis an dein kühles Grab,

Und weiche keinen Finger breit

Von Gottes Wegen ab!


Dann suchen Enkel deine Gruft

Und weinen Tränen drauf,

Und Sonnenblumen, voll von Duft,

Blühn aus den Tränen auf.