PIONTEK, Heinz



Pferdejunge


Der in der Sattelkammer haust,

stammt Heu mit hagrer Knabenfaust.

Der Wassereimer zieht ihn krumm.

Den Kutscherzank erträgt er stumm.


Der Halsterdorn reisst ihm die Haut,

als er des Falben Sanftmut traut.

Er saugt sein Blut und fegt Zement,

hart in der Hand das reisig brennt.


Der Schimmel paukt verzückt ans Holz:

der Eisenschimmel ist sein Stolz.

Das Hosenleder zwängt ihn stramm,

zieht er durchs Mahnhaar zart den Kamm.


Es flackt sein haferseidner Schopf,

Er pellt Kartoffenln aus dem Topf

und bräunt den Schinken mit dem Ei –

ins Türloch schnellt der Schwalbenschrei.


Sprunggartenlicht am Schlehentor:

in weichen Juchten der Major.

Der Falbe gleitet übers Rick

und feuerblau is Daisys blick.


Er liebt des Mädchens heitern Sitz.

Die Hufe fetzen einen Schlitz

stahlfarben in den grünen Schein.

Der Abend hockt am Gatterstein.


Die Verstreuten


Wir haben Wind unter den Sohlen.

Wir haben Wind im Nacken.


Des Nachbarn Stimme fing sich in Netzen Schnees.

Da stopften wir Silber und Brot in die Säcke, entriegelten die Tür.

Als die Nacht anhub zu flackern, liefen wir waffenlos zu den Ställen

und hinaus auf Straßen von wandernden Ratten.


Zerstoßenes Blech und Kälte: das Land der Geschlagenen.

Wir fuhren im Schritt. Ein Mädchen kam nieder zwischen den Speichen.

Ein Blinder stolperte hinter- Leuten

an einem Strick und er schrie in den Schneefall: Wo sind wir?


Wir müssen vor Kreuzungen warten.

Wir besitzen keine Dokumente.


Mancher starb kauernd – im Hader über seine verendeten Pferde,

mancher streckte sich unter Planen, schweigsam für immer.

Und als wir einzeln eine getroffene Brücke passierten,

waren viele im Eis zu sehen, grün und wie schwebend.


Der Himmel ein Sieb, und hinter den Karawanen

aus Leiterwagen und Kutschen wurde es still,

ein zugiger Horizont blieb zurück, auf dem wir biwakiert,

der Schläfer, froststarr, der die Verfolgung nicht mehr fürchtete.

Wir dürfen kein Feuer machen.

Wir dürfen den Zug ohne Erlaubnis nicht verlassen.

Man rief mich: „Erzähle! Wir wissen zu wenig von jenen,

die im April eines frommen Jahrhunderts sich aufgemacht hatten,

um ihre Reiche – zwölfhundert Ruten Wildnis – zu roden,

vom Mehl der Gebeine auf unseren Friedhöfen erzähle!“

Ich sagte zu ihnen: Es war ein Volk, das auszog

nach dem gelobten Land und es nicht fand und verdarb. -

„Narr, sie erreichten es – süß und barbarisch zwischen Wasserbächen!

Wir aber müssen nun unsere frühe Heimat erkunden.“


Wir beugen die Rücken unter leichte Lasten.

Wir nähren uns von Schnee und Vögeln.


Unsere Scharen lichteten sich und warfen nur dünne Schatten.

Einer verlor den anderen. Der Osten – wie eine feurige Sage –

ging hinter Armeen zugrunde. Jammer war er

und Aschenflug über der Öde und dunkel wie einst.


Doch holte uns ein, der einen Knaben führte: ein übermüdeter Mann,

sein Waffenrock war von Sommern versengt,

und er trug einen Alten, den schlaffen Vater, auf beiden Schultern.

Da wurde es Tag vor unseren Augen mit rosenblättrigem Licht.


Wir werden zu einer festen Stadt kommen im Wind.

Wir werden Frieden finden auf Felsen.