HEINE, Heinrich


Ich wandle unter Blumen


Ich wandle unter Blumen

Und blühe selber mit,

Ich wandle wie im Traume

Und schwanke bei jedem Schritt.


O halt mich fest, Geliebte!

Vor Liebestrunkenheit

Fall' ich dir sonst zu Füßen

Und der Garten ist voller Leut!


Morphine


Groß ist die Ähnlichkeit der beiden schönen

Jünglingsgestalten, ob der eine gleich

Viel blässer als der andre, auch viel strenger,

Fast möcht ich sagen viel vornehmer aussieht

Als jener andre, welcher mich vertraulich

In seine Arme schloß - Wie lieblich sanft

War dann sein Lächeln und sein Blick wie selig!

Dann mocht es wohl geschehn, daß seines Hauptes

Mohnblumenkranz auch meine Stirn berührte

Und seltsam duftend allen Schmerz verscheuchte

Aus meiner Seel - Doch solche Linderung,

Sie dauert kurze Zeit; genesen gänzlich

Kann ich nur dann, wenn seine Fackel senkt

Der andre Bruder, der so ernst und bleich. -

Gut ist der Schlaf, der Tod ist besser - freilich

Das beste wäre, nie geboren sein.


Dein Angesicht so lieb und schön


Dein Angesicht so lieb und schön,

Das hab ich jüngst im Traum gesehn,

Es ist so mild und engelgleich,

Und doch so bleich, so schmerzenbleich.


Und nur die Lippen, die sind rot;

Bald aber küßt sie bleich der Tod.

Erlöschen wird das Himmelslicht,

Das aus den frommen Augen bricht.


Die Lotosblume


Die Lotosblume ängstigt

Sich vor der Sonne Pracht,

Und mit gesenktem Haupte

Erwartet sie träumend die Nacht.

Der Mond, der ist ihr Buhle

Er weckt sie mit seinem Licht,

Und ihm entschleiert sie freundlich

Ihr frommes Blumengesicht.

Sie blüht und glüht und leuchtet,

Und starret stumm in die Höh;

Sie duftet und weinet und zittert

Vor Liebe und Liebesweh.


Ein Fichtenbaum steht einsam


Ein Fichtenbaum steht einsam

Im Norden auf kahler Höh’.

Ihn schläfert; mit weißer Decke

Umhüllen ihn Eis und Schnee.

Er träumt von einer Palme,

Die, fern im Morgenland,

Einsam und schweigend trauert

Auf brennender Felsenwand


Die Welt ist dumm, die Welt ist blind


Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,

Wird täglich abgeschmackter!

Sie spricht von dir, mein schönes Kind:

Du hast keinen guten Charakter.

Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,

Und dich wird sie immer verkennen;

Sie weiß nicht, wie süß deine Küsse sind,

Und wie sie beseligend brennen.



Warum sind denn die Rosen so blaß

Warum sind denn die Rosen so blaß,

O sprich, mein Lieb, warum?

Warum sind denn im grünen Gras

Die blauen Veilchen so stumm?

Warum singt denn mit so kläglichem Laut

Die Lerche in der Luft?

Warum steigt denn aus dem Balsamkraut

Hervor ein Leichenduft?

Warum scheint denn die Sonn' auf die Au

So kalt und verdrießlich herab?

Warum ist denn die Erde so grau

Und öde wie ein Grab?


Warum bin ich selbst so krank und so trüb,

Mein liebes Liebchen, sprich?

O sprich, mein herzallerliebstes Lieb,

Warum verließest du mich?


Das Fräulein stand am Meere

Das Fräulein stand am Meere

Und seufzte lang und bang,

Es rührte sie so sehre

Der Sonnenuntergang.

Mein Fräulein! sein Sie munter,

Das ist ein altes Stück;

Hier vorne geht sie unter

Und kehrt von hinten zurück


Die Lorelei

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
daß ich so traurig bin;
ein Märchen aus uralten Zeiten,
das kommt mir nicht aus dem Sinn;
die Luft ist kühl und es dunkelt
und ruhig fließt der Rhein;
der Gipfel des Berges funkelt
im Abendsonnenschein

Die schönste Jungfrau sitzet
dort oben wunderbar;
ihr goldnes Geschmeide blitzet,
sie kämmt ihr goldnes Haar
Sie kämmt es mit goldenem Kamme
und singt ein Lied dabei,
das hat ein wundersame,
gewaltige Melodei

Den Schiffer im kleinen Schiffe

Ergreift es mit wildem Weh;

Er schaut nicht die Felsenriffe,

Er schat nur hinauf in die Höh.
Ich glaube, die Welllen verschlingen

Am Ende Schiffer und Kahn;

Und das hat mit ihrem Singen

Die Lorelei getan.


Die Schlesischen Weber

Im düstern Auge keine Träne
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt -
Er hat uns geäfft, gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschiessen läßt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!


Vergiftet sind meine Lieder

Vergiftet sind meine Lieder; -

Wie könnt es anders sein?

Du hast mir ja Gift gegossen

Ins blühende Leben hinein.

Vergiftet sind meine Lieder; -

Wie könnt es anders sein?

Ich trage im Herzen viel Schlangen,

Und dich, Geliebte mein.


Wandere!

Wenn dich ein Weib verraten hat,
So liebe flink eine Andre;
Noch besser wär es, du ließest die Stadt -
Schnüre den Ranzen und wandre!

Du findest bald einen blauen See,
Umringt von Trauerweiden;
Hier weinst du aus dein kleines Weh
Und deine engen Leiden.

Wenn du den steilen Berg ersteigst,
Wirst du beträchtlich ächzen;
Doch wenn du den felsigen Gipfel erreichst,
Hörst du die Adler krächzen.

Dort wirst du selbst ein Adler fast,
Du bist wie neugeboren,
Du fühlst dich frei, du fühlst: du hast
Dort unten nicht viel verloren.


Du bist wie eine Blume

Du bist wie eine Blume

so hold und schön und rein;

ich schau' dich an, und Wehmut

schleicht mir ins Herz hinein.

Mir ist, als ob ich die Hände

aufs Haupt dir legen sollt',

betend, daß Gott dich erhalte

so rein und schön und hold.


Nachtgedanken

Denk ich an Deutschland in der Nacht,

Dann bin ich um den Schlaf gebracht,

Ich kann nicht mehr die Augen schließen,

Und meine heißen Tränen fließen.

Die Jahre kommen und vergehn!

Seit ich die Mutter nicht gesehn,

Zwölf Jahre sind schon hingegangen;

Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst.

Die alte Frau hat mich behext,

Ich denke immer an die alte,

Die alte Frau, die Gott erhalte!

Die alte Frau hat mich so lieb,

Und in den Briefen, die sie schrieb,

Seh ich, wie ihre Hand gezittert,

Wie tief das Mutterherz erschüttert.

Die Mutter liegt mir stets im Sinn.

Zwölf lange Jahre flossen hin,

Zwölf lange Jahre sind verflossen,

Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

Deutschland hat ewigen Bestand,

Es ist ein kerngesundes Land,

Mit seinen Eichen, seinen Linden,

Werd' ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,

Wenn nicht die Mutter dorten wär;

Das Vaterland wird nie verderben,

Jedoch die alte Frau kann sterben.

Seit ich das Land verlassen hab,

So viele sanken dort ins Grab,

Die ich geliebt -- wenn ich sie zähle,

So will verbluten meine Seele.

Und zählen muß ich -- Mit der Zahl

Schwillt immer höher meine Qual;

Mir ist, als wälzten sich die Leichen,

Auf meine Brust -- Gottlob! Sie weichen!

Gottlob! Durch meine Fenster bricht

Französisch heitres Tageslicht;

Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen

Und lächelt fort die deutschen Sorgen.


Sie haben heut abend Gesellschaft


Sie haben heut abend Gesellschaft,

Und das Haus ist lichterfüllt.

Dort oben am hellen Fenster

Bewegt sich ein Schattenbild.


Du schaust mich nicht, im Dunkeln

Steh ich hier unten allein;

Noch wen'ger kannst du schauen

In mein dunkles Herz hinein.


Mein dunkles Herze liebt dich,

Es liebt dich und es bricht,

Und bricht und zuckt und verblutet,

Aber du siehst es nicht.


Der Asra


Täglich ging die wunderschöne

Sultantochter auf und nieder

um die Abendzeit am Springbrunn,

wo die weißen Wasser plätschern.


Täglich stand der junge Sklave

um die Abendzeit am Springbrunn,

wo die weißen Wasser plätschern,

täglich ward er bleich und bleicher.


Eines Abends trat die Fürstin

auf ihn zu mit raschen Worten:

»Deinen Namen will ich wissen,

deine Heimath, deine Sippschaft.«


Und der Sklave sprach: »Ich heiße Mohamet

und bin aus Yemen,

und mein Stamm sind jene Asra,

welche sterben, wenn sie lieben.


Wie langsam kriechet sie dahin


Wie langsam kriechet sie dahin,

Die Zeit, die schauderhafte Schnecke!

Ich aber, ganz bewegungslos

Blieb ich hier auf demselben Flecke.


In meine dunkle Zelle dringt

Kein Sonnenstrahl, kein Hoffnungsschimmer,

Ich weiß, nur mit der Kirchhofsgruft

Vertausch ich dies fatale Zimmer.


Vielleicht bin ich gestorben längst;

Es sind vielleicht nur Spukgestalten

Die Phantasieen, die des Nachts

Im Hirn den bunten Umzug halten.


Es mögen wohl Gespenster sein,

Altheidnisch göttlichen Gelichters;

Sie wählen gern zum Tummelplatz

Den Schädel eines toten Dichters. -


Die schaurig süßen Orgia,

Das nächtlich tolle Geistertreiben,

Sucht des Poeten Leichenhand

Manchmal am Morgen aufzuschreiben.


Die Grenadiere


Nach Frankreich zogen zwei Grenadier’,

Die waren in Rußland gefangen.

Und als sie kamen ins deutsche Quartier,

Sie ließen die Köpfe hangen.


Da hörten sie beide die traurige Mär :

Daß Frankreich verloren gegangen,

Besiegt und zerschlagen das tapfere Heer, –

Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.


Da weinten zusammen die Grenadier’

Wohl ob der kläglichen Kunde.

Der eine sprach : Wie weh wird mir,

Wie brennt meine alte Wunde !


Der Andre sprach : das Lied ist aus,

Auch ich möcht mit dir sterben,

Doch hab’ ich Weib und Kind zu Haus,

Die ohne mich verderben.


Was scheert mich Weib, was scheert mich Kind,

Ich trage weit bess’res Verlangen ;

Laß sie betteln gehn wenn sie hungrig sind, –

Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen !


Gewähr’ mir Bruder eine Bitt’ :

Wenn ich jetzt sterben werde,

So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,

Begrab’ mich in Frankreichs Erde.


Das Ehrenkreuz am rothen Band

Sollst du aufs Herz mir legen ;

Die Flinte gieb mir in die Hand,

Und gürt’ mir um den Degen.


So will ich liegen und horchen still,

Wie eine Schildwacht, im Grabe,

Bis einst ich höre Kanonengebrüll,

Und wiehernder Rosse Getrabe.


Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,

Viel Schwerter klirren und blitzen ;

Dann steig’ ich gewaffnet hervor aus dem Grab –

Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.



Winterzeit - Märchenzeit


Aus alten Märchen winkt es

Hervor mit weißer Hand,

Da singt es und da klingt es

Von einem Zauberland,


Wo große Blumen schmachten,

Im goldnen Abendlicht,

Und zärtlich sich betrachten

Mit bräutlichem Gesicht ; -


Wo alle Bäume sprechen,

Und singen, wie ein Chor,

Und laute Quellen brechen

Wie Tanzmusik hervor ; -


Und Liebesweisen tönen,

Wie du sie nie gehört,

Bis wundersüßes Sehnen

Dich wundersüß bethört!


Ach, könnt ' ich dorthin kommen,

Und dort mein Herz erfreun,

Und aller Qual entnommen,

Und frei und selig sein!


Ach! jenes Land der Wonne

Das seh' ich oft im Traum ;

Doch, kommt die Morgenwonne,

Zerfließt 's wie eitel Schaum.



Mein Tag war heiter


Mein Tag war heiter, glücklich meine Nacht.

Mir jauchzte stets mein Volk, wenn ich die Leier

Der Dichtkunst schlug. Mein Lied war Lust und Feuer,

Hat manche schöne Gluten angefacht.


Noch blüht mein Sommer, dennoch eingebracht

Hab ich die Ernte schon in meine Scheuer -

Und jetzt soll ich verlassen, was so teuer,

So lieb und teuer mir die Welt gemacht!


Der Hand entsinkt das Saitenspiel. In Scherben

Zerbricht das Glas, das ich so fröhlich eben

An meine übermütgen Lippen preßte.


O Gott! wie häßlich bitter ist das Sterben!

O Gott! wie süß und traulich läßt sich leben

In diesem traulich süßen Erdenneste!


Deutschland. Ein Wintermärchen


Im traurigen Monat November war's,

Die Tage wurden trüber,

Der Wind riß von den Bäumen das Laub,

Da reist ich nach Deutschland hinüber.


Und als ich an die Grenze kam,

Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen

In meiner Brust, ich glaube sogar

Die Augen begunnen zu tropfen.


Und als ich die deutsche Sprache vernahm,

Da ward mir seltsam zumute;

Ich meinte nicht anders, als ob das Herz

Recht angenehm verblute.


Ein kleines Harfenmädchen sang.

Sie sang mit wahrem Gefühle

Und falscher Stimme, doch ward ich sehr

Gerühret von ihrem Spiele.


Sie sang von Liebe und Liebesgram,

Aufopfrung und Wiederfinden

Dort oben, in jener besseren Welt,

Wo alle Leiden schwinden.


Sie sang vom irdischen Jammertal,

Von Freuden, die bald zerronnen,

Vom jenseits, wo die Seele schwelgt

Verklärt in ew'gen Wonnen.


Sie sang das alte Entsagungslied,

Das Eiapopeia vom Himmel,

Womit man einlullt, wenn es greint,

Das Volk, den großen Lümmel.


Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,

Ich kenn auch die Herren Verfasser;

Ich weiß, sie tranken heimlich Wein

Und predigten öffentlich Wasser.


Ein neues Lied, ein besseres Lied,

O Freunde, will ich euch dichten!

Wir wollen hier auf Erden schon

Das Himmelreich errichten.


Wir wollen auf Erden glücklich sein,

Und wollen nicht mehr darben;

Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,

Was fleißige Hände erwarben.


Es wächst hienieden Brot genug

Für alle Menschenkinder,

Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,

Und Zuckererbsen nicht minder.


Ja, Zuckererbsen für jedermann,

Sobald die Schoten platzen!

Den Himmel überlassen wir

Den Engeln und den Spatzen.


Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,

So wollen wir euch besuchen

Dort oben, und wir, wir essen mit euch

Die seligsten Torten und Kuchen.


Ein neues Lied, ein besseres Lied!

Es klingt wie Flöten und Geigen!

Das Miserere ist vorbei,

Die Sterbeglocken schweigen.


Die Jungfer Europa ist verlobt

Mit dem schönen Geniusse

Der Freiheit, sie liegen einander im Arm,

Sie schwelgen im ersten Kusse.


Und fehlt der Pfaffensegen dabei,

Die Ehe wird gültig nicht minder –

Es lebe Bräutigam und Braut,

Und ihre zukünftigen Kinder!


Ein Hochzeitkarmen ist mein Lied,

Das bessere, das neue!

In meiner Seele gehen auf

Die Sterne der höchsten Weihe –


Begeisterte Sterne, sie lodern wild,

Zerfließen in Flammenbächen –

Ich fühle mich wunderbar erstarkt,

Ich könnte Eichen zerbrechen!


Seit ich auf deutsche Erde trat,

Durchströmen mich Zaubersäfte –

Der Riese hat wieder die Mutter berührt,

Und es wuchsen ihm neu die Kräfte.



Waldeinsamkeit


Ich hab’ in meinen Jugendtagen

Wohl auf dem Haupt einen Kranz getragen;

Die Blumen glänzten wunderbar,

Ein Zauber in dem Kranze war.


Der schöne Kranz gefiel wohl allen,

Doch der ihn trug, hat manchem mißfallen;

Ich floh den gelben Menschenneid

Ich floh in die grüne Waldeinsamkeit.


Im Wald, im Wald! da konnt’ ich führen

Ein freies Leben mit Geistern und Tieren;

Feen und Hochwild von stolzem Geweih’,

Sie nah’ten sich mir ganz ohne Scheu.


Sie nah’ten sich mir ganz ohne Zagnis,

Sie wußten, das sei kein schreckliches Wagnis;

Daß ich kein Jäger, wußte das Reh,

Daß ich kein Vernunftmensch, wußte die Fee.


Von Feenbegünstigung plaudern nur Toren —

Doch wie die übrigen Honoratioren

Des Waldes mir huldreich gewesen, fürwahr,

Ich darf es bekennen offenbar.


Wie haben mich lieblich die Elfen umflattert!

Ein luftiges Völkchen! das plaudert und schnattert!

Ein bißchen stechend ist der Blick,

Verheißend ein süßes, doch tödliches Glück.


Ergötzten mich mit Maitanz und Maispiel,

Erzählten mir Hofgeschichten zum Beispiel:

Die skandalose Chronika

Der Königin Titania.


Saß ich am Bache, so tauchten und sprangen

Hervor aus der Flut, mit ihrem langen

Silberschleier und flatterndem Haar,

Die Wasserbacchanten, die Nixenschar.


Sie schlugen die Zither, sie spielten auf Geigen,

Das war der famose Nixenreigen;

Die Posituren, die Melodei,

War klingende, springende Raserei.


Jedoch zuzeiten waren sie minder

Tobsüchtig gelaunt, die schönen Kinder;

Zu meinen Füßen lagerten sie,

Das Köpfchen gestützt auf meinem Knie.


Tällerten, trillerten welsche Romanzen,

Zum Beispiel das Lied von den drei Pomeranzen,

Sangen auch wohl ein Lobgedicht

Auf mich und mein nobeles Menschengesicht.


Sie unterbrachen manchmal das Gesinge

Lautlachend, und frugen bedenkliche Dinge,

Zum Beispiel: „Sag uns, zu welchem Behuf

Der liebe Gott den Menschen schuf?


Hat eine unsterbliche Seele ein jeder

Von euch? Ist diese Seele von Leder

Oder von steifer Leinwand? Warum

Sind eure Leute meistens so dumm?“


Was ich zur Antwort gab, verhehle

Ich hier, doch meine unsterbliche Seele,

Glaubt mir’s, ward nie davon verletzt,

Was eine kleine Nixe geschwätzt.


Anmutig und schalkhaft sind Nixen und Elfen;

Nicht so die Erdgeister, sie dienen und helfen

Treuherzig den Menschen. Ich liebte zumeist

Die, welche man Wichtelmännchen heißt.


Sie tragen Rotmäntelchen, lang und bauschig,

Die Miene ist ehrlich, doch bang und lauschig;

Ich ließ nicht merken, daß ich entdeckt,

Warum sie so ängstlich die Füße versteckt.


Sie haben nämlich Entenfüße

Und bilden sich ein, daß niemand es wisse.

Das ist eine tiefgeheime Wund’,

Worüber ich nimmermehr spötteln kunnt’.


Ach Himmel! wir alle, gleich jenen Zwergen,

Wir haben ja alle etwas zu verbergen

Kein Christenmensch, wähnen wir, hätte entdeckt,

Wo unser Entenfüßchen steckt.


Niemals verkehrt’ ich mit Salamandern,

Und über ihr Treiben erfuhr ich von andern

Waldgeistern sehr wenig. Sie huschten mir scheu

Des Nachts wie leuchtende Schatten vorbei.


Sind spindeldürre, von Kindeslänge,

Höschen und Wämschen anliegend enge,

Von Scharlachfarbe, goldgestickt;

Das Antlitz kränklich, vergilbt und bedrückt.


Ein güldnes Krönlein, gespickt mit Rubinen,

Trägt auf dem Köpfchen ein jeder von ihnen;

Ein jeder von ihnen bildet sich ein,

Ein absoluter König zu sein.


Daß sie im Feuer nicht verbrennen,

Ist freilich ein Kunststück, ich will es bekennen;

Jedoch der unentzündbare Wicht,

Ein wahrer Feuergeist ist er nicht.


Die klügsten Waldgeister sind die Alräunchen,

Langbärtige Männlein mit kurzen Beinchen,

Ein fingerlanges Greisengeschlecht;

Woher sie stammen, man weiß es nicht recht.


Wenn sie im Mondschein kopfüber purzeln,

Das mahnt bedenklich an Pissewurzeln;

Doch da sie mir nur Gutes getan,

So geht mich nichts ihr Ursprung an.


Sie lehrten mir kleine Hexereien,

Feuer besprechen, Vögel beschreien,

Auch pflücken in der Johannisnacht

Das Kräutlein, das unsichtbar macht.


Sie lehrten mich Sterne und Zeichen deuten,

Sattellos auf dem Winde reiten,

Auch Runensprüche, womit man ruft

Die Toten hervor aus ihrer Gruft.


Sie haben mir auch den Pfiff gelehrt,

Wie man den Vogel Specht betört

Und ihm die Springwurz abgewinnt,

Die anzeigt, wo Schätze verborgen sind.


Die Worte, die man beim Schätzegraben

Hinmurmelt, lehrten sie mich, sie haben

Mir alles expliziert — umsunst!

Hab’ nie begriffen die Schatzgräberkunst.


Wohl hatt’ ich derselben nicht nötig dermalen,

Ich brauchte wenig, und konnt’ es bezahlen,

Besaß auch in Spanien manch luftiges Schloß,

Wovon ich die Revenuen genoß.


Oh, schöne Zeit! wo voller Geigen

Der Himmel hing, wo Elfenreigen

Und Nixentanz und Koboldscherz

Umgaukelt mein märchentrunkenes Herz!


Oh, schöne Zeit! wo sich zu grünen

Triumphespforten zu wölben schienen

Die Bäume des Waldes — ich ging einher,

Bekränzt, als ob ich der Sieger wär!


Die schöne Zeit, sie ist verschlendert,

Und alles hat sich seitdem verändert,

Und ach! mir ist der Kranz geraubt,

Den ich getragen auf meinem Haupt.


Der Kranz ist mir vom Haupt genommen,

Ich weiß es nicht, wie es gekommen;

Doch seit der schöne Kranz mir fehlt,

Ist meine Seele wie entseelt.


Es glotzen mich an unheimlich blöde

Die Larven der Welt! Der Himmel ist öde,

Ein blauer Kirchhof, entgöttert und stumm.

Ich gehe gebückt im Wald herum.


Im Walde sind die Elfen verschwunden,

Jagdhörner hör’ ich, Gekläffe von Hunden;

Im Dickicht ist das Reh versteckt,

Das tränend seine Wunden leckt.


Wo sind die Alräunchen? Ich glaube, sie halten

Sich ängstlich verborgen in Felsenspalten.

Ihr kleinen Freunde, ich komme zurück,

Doch ohne Kranz und ohne Glück.


Wo ist die Fee mit dem langen Goldhaar,

Die erste Schönheit, die mir hold war?

Der Eichenbaum, worin sie gehaust,

Steht traurig entlaubt, vom Winde zerzaust.


Der Bach rauscht trostlos gleich dem Styxe;

Am einsamen Ufer sitzt eine Nixe,

Todblaß und stumm, wie’n Bild von Stein,

Scheint tief in Kummer versunken zu sein.


Mitleidig tret’ ich zu ihr heran —

Da fährt sie auf und schaut mich an,

Und sie entflieht mit entsetzten Mienen,

Als sei ihr ein Gespenst erschienen