FREILIGRATH, Ferdinand



Die Auswanderer


Ich kann den Blick nicht von euch wenden;

Ich muß euch anschaun immerdar:

Wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen

Dem Schiffer eure Habe dar!


Ihr Männer, die ihr von dem Nacken

Die Körbe langt, mit Brot beschwert,

Das ihr aus deutschem Korn gebacken,

Geröstet habt auf deutschem Herd;


Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe,

Ihr Schwarzwaldmädchen, braun und schlank,

Wie sorgsam stellt ihr Krüg' und Töpfe

Auf der Schaluppe grüne Bank!


Das sind dieselben Töpf' und Krüge,

Oft an der Heimat Born gefüllt!

Wenn am Missouri alles schwiege,

Sie malten euch der Heimat Bild:


Des Dorfes steingefaßte Quelle,

Zu der ihr schöpfend euch gebückt,

Des Herdes traute Feuerstelle,

Das Wandgesims, das sie geschmückt


Bald zieren sie im fernen Westen

Des leichten Bretterhauses Wand;

Bald reicht sie müden braunen Gästen,

Voll frischen Trunkes, eure Hand.


Es trinkt daraus der Tscherokese,

Ermattet, von der Jagd bestaubt;

Nicht mehr von deutscher Rebenlese

Tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt.


O sprecht! warum zogt ihr von dannen?

Das Neckartal hat Wein und Korn;

Der Schwarzwald steht voll finstrer Tannen,

Im Spessart klingt des Älplers Horn.


Wie wird es in den fremden Wäldern

Euch nach der Heimatberge Grün,

Nach Deutschlands gelben Weizenfeldern,

Nach seinen Rebenhügeln ziehn!


Wie wird das Bild der alten Tage

Durch eure Träume glänzend wehn!

Gleich einer stillen, frommen Sage

Wird es euch vor der Seele stehn.


Der Bootsmann winkt! – Zieht hin in Frieden:

Gott schütz' euch, Mann und Weib und Greis!

Sei Freude eurer Brust beschieden,

Und euren Feldern Reis und Mais!


Löwenritt


Wüstenkönig ist der Löwe; will er sein Gebiet durchfliegen,
Wandelt er nach der Lagune, in dem hohen Schilf zu liegen.
Wo Gazellen und Giraffen trinken, kauert er im Rohre;
Zitternd über dem Gewalt'gen rauscht das Laub der Sycomore.

Abends, wenn die hellen Feue r glühn im Hottentottenkraale,
Wenn des jähen Tafelberges bunte, wechselnde Signale
Nicht mehr glänzen, wenn der Kaffer einsam schweift durch die Karroo,
Wenn im Busch die Antilope schlummert, und am Strom das Gnu:

Sieh', dann schreitet majestätisch durch die Wüste die Giraffe,
Daß mit der Lagune trüben Fluten sie die heiße, schlaffe
Zunge kühle; lechzend eilt sie durch der Wüste nackte Strecken,
Knieend schlürft sie langen Halses aus dem schlammgefüllten Becken.

Plötzlich regt es sich im Rohre; mit Gebrüll auf ihren Nacken
Springt der Löwe; welch ein Reitpferd! sah man reichere Schabracken
In den Marstallkammern einer königlichen Hofburg liegen,
Als das bunte Fell des Renners, den der Thüre Fürst bestiegen?

In die Muskeln des Genickes schlägt er gierig seine Zähne;
Um den Bug des Riesenpferdes weht des Reiters gelbe Mähne.
Mit dem dumpfen Schrei des Schmerzes springt es auf und flieht gepeinigt;
Sieh', wie Schnelle des Kameeles es mit Pardelhaut vereinigt.

Sieh', die mondbestrahlte Fläche schlägt es mit den leichten Füßen!
Starr aus ihrer Höhlung treten seine Augen; rieselnd fließen
An dem braungefleckten Halse nieder schwarzen Blutes Tropfen,
Und das Herz des flücht'gen Thieres hört die stille Wüste klopfen.

Gleich der Wolke, deren Leuchten Israel im Lande Yemen
Führte, wie ein Geist der Wüste, wie ein fahler, luft'ger Schemen,
Eine sandgeformte Trombe in der Wüste sand'gem Meer,
Wirbelt eine gelbe Säule Sandes hinter ihnen her.

Ihrem Zuge folgt der Geier; krächzend schwirrt er durch die Lüfte;
Ihrer Spur folgt die Hyäne, die Entweiherin der Grüfte;
Folgt der Panther, der des Caplands Hürden räuberisch verheerte;
Blut und Schweiß bezeichnen ihres Königs grausenvolle Fährte.

Zagend auf lebend'gem Throne sehn sie den Gebieter sitzen,
Und mit scharfer Klaue seines Sitzes bunte Polster ritzen.
Rastlos, bis die Kraft ihr schwindet, muß ihn die Giraffe tragen;
Gegen einen solchen Reiter hilft kein Bäumen und kein Schlagen.

Taumelnd an der Wüste Saume stürzt sie hin, und röchelt leise.
Todt, bedeckt mit Staub und Schaume, wird das Roß des Reiters Speise.
Ueber Madagaskar, fern im Osten, sieht man Frühlicht glänzen; -
So durchsprengt der Thiere König nächtlich seines Reiches Grenzen.



Der Mohrenfürst


Sein Heer durchwogte das Palmental,

Er wand um die Locken den Purpurschawl;

Er hing um die Schultern die Löwenhaut;

Kriegerisch klirrte der Becken Laut.


Wie Termiten wogte der wilder Schwarm;

Den goldumreiften, den schwarzen Arm

Schlang er um die Geliebte fest:

»Schmücke dich, Mädchen, zum Siegesfest!


Sieh', glänzende Perlen bring' ich dir dar!

Sie flicht durch dein krauses schwarzes Haar!

Wo Persia's Meerflut Korallen umzischt,

Da haben sie triefende Taucher gefischt.


Sieh', Federn vom Strauße, laß sie dich schmücken!

Weiß auf dein Antlitz, das dunkele, nicken!

Schmücke das Zeit! Bereite das Mahl!

Fülle, bekränze den Siegespokal!«


Aus dem schimmernden, weißen Zelte hervor

Tritt der schlachtgerüstete fürstliche Mohr:

So tritt aus schimmernder Wolken Tor

Der Mond, der verfinsterte, dunkele vor.


Da grüßt ihn jubelnd der Seinen Ruf,

Da grüßt ihn stampfend der Roße Huf.

Ihm rollt der Neger treues Blut

Und des Nigers rätselhafte Flut.


»So führ' uns zum Siege! So führ' uns zur Schlacht!«

Sie stritten vom Morgen bis tief in die Nacht.

Des Elefanten gehöhlter Zahn

Feuerte schmetternd die Kämpfer an.


Es fleucht der Leu, es flieh'n die Schlangen

Vor dem Rasseln der Trommel, mit Schädeln behangen

Hoch weht die Fahne, verkündend Tod;

Das Gelb der Wüste färbt sich rot.