ANONYMUS



Nibelungenlied (Übersetzung: Karl SIMROCK)

…..
Sie sprach: "Edler Ritter, laßt euch das vergehn:

Was ihr da habt im Sinne, das kann nicht geschehn.

Ich will noch Jungfrau bleiben, Herr König, merkt euch das,

Bis ich die Mär erfahre." Da faßte Gunther ihr Haß.


Er rang nach ihrer Minne und zerrauft' ihr Kleid.

Da griff nach einem Gürtel die herrliche Maid,

Einer starken Borte, die sie um sich trug:

Da that sie dem König großen Leides genug.


Die Füß und die Hände sie ihm zusammenband,

Zu einem Nagel trug sie ihn und hieng ihn an die Wand.

Als er im Schlaf sie störte, sein Minnen sie verbot.

Von ihrer Stärke hätt er beinah gewonnen den Tod.


Da begann zu flehen, der Meister sollte sein:

"Nun löst mir die Bande, viel edle Fraue mein.

Ich getrau euch, schöne Herrin, doch nimmer obzusiegen

Und will auch wahrlich selten mehr so nahe bei euch liegen."

…..
Die Fürsten giengen zu ihm und sprachen alle drei:

"Wißt nun, Herr Siegfried, daß euch immer sei

Unser Dienst mit Treue bereit bis in den Tod."

Er neigte sich den Herren, da mans so wohl ihm erbot.


"Wir wolln auch mit euch theilen," sprach Geiselher das Kind,

"Das Land und die Burgen, die unser eigen sind,

Und was der weiten Reiche uns ist unterthan;

Ihr empfangt mit Kriemhild euer volles Theil daran."


Der Sohn König Siegmunds sprach zu den Fürsten da,

Als er den guten Willen der Herren hört und sah:

"Gott laß euch euer Erbe gesegnet immer sein

Und auch die Leute drinnen: es mag die liebe Fraue mein


"Des Theils wohl entrathen, den ihr ihr wolltet geben:

Wo sie soll Krone tragen, mögen wirs erleben,

Da muß sie reicher werden, als wer ist auf der Welt.

Was ihr sonst gebietet, ich bin euch dienstlich gesellt."

…..
Da sprach von Niederlanden der König Siegmund:

"Wollt ihr zum Hofgelage, was thut ihr mirs nicht kund?

Ich will mit euch reiten, wenn ihrs zufrieden seid;

Hundert Degen führ ich, damit mehr ich eur Geleit."


"Wollt ihr mit uns reiten, lieber Vater mein,"

Sprach der kühne Siegfried, "des will ich fröhlich sein.

Binnen zwölf Tagen räum ich unser Land."

Die sie begleiten sollten, denen gab man Ross' und Gewand.


Als dem edeln König zur Reise stand der Muth,

Da ließ man wieder reiten die schnellen Degen gut.

Seiner Frauen Brüdern entbot er an den Rhein,

Daß er gerne wolle bei ihrem Hofgelage sein.


Siegfried und Kriemhild, so hörten wir sagen,

Beschenkten so die Boten, es mochten es nicht tragen

Die Pferde nach der Heimat: er war ein reicher Mann.

Ihre starken Säumer trieb man zur Reise fröhlich an.
…..
Seine liebe Traute küsst' er auf den Mund:

"Gott laße mich dich, Liebe, noch wiedersehn gesund

Und deine Augen mich auch; mit holden Freunden dein

Kürze dir die Stunden: ich kann nun nicht bei dir sein."


Da gedachte sie der Märe, sie durft es ihm nicht sagen,

Nach der sie Hagen fragte: da begann zu klagen

Die edle Königstochter, daß ihr das Leben ward:

Ohne Maßen weinte die wunderschöne Fraue zart.


Sie sprach zu dem Recken: "Laßt euer Jagen sein:

Mir träumte heunt von Leide, wie euch zwei wilde Schwein

Über die Haide jagten: da wurden Blumen roth.

Daß ich so bitter weine, das thut mir armem Weibe Noth.

…..
Als der edle Siegfried aus dem Brunnen trank,

Er schoß ihn durch das Kreuze, daß aus der Wunde sprang

Das Blut von seinem Herzen an Hagens Gewand.

Kein Held begeht wohl wieder solche Unthat nach der Hand.


Den Gerschaft im Herzen ließ er ihm stecken tief.

Wie im Fliehen Hagen da so grimmig lief,

So lief er wohl auf Erden nie vor einem Mann!

Als da Siegfried Kunde der schweren Wunde gewann,


Der Degen mit Toben von dem Brunnen sprang;

Ihm ragte von der Achsel eine Gerstange lang.

Nun wähnt' er da zu finden Bogen oder Schwert,

Gewiß, so hätt er Hagnen den verdienten Lohn gewährt
…..
Dawider sprach zu Hagen der kühne Gernot:

"Es mag dabei verbleiben bis an Beider Tod,

Daß wir niemals kommen in König Etzels Land.

Laßt uns ihr Treue leisten: zu Ehren wird uns das gewandt."


Da sprach Hagen wieder: "Das laß ich mir Niemand sagen;

Und soll die edle Kriemhild Helkens Krone tragen,

Viel Leid wird sie uns schaffen, wo sie's nur fügen kann:

Ihr sollt es bleiben laßen, das ständ euch Recken beßer an."


Im Zorn sprach da Geiselher, der schönen Ute Kind:

Wir wollen doch nicht alle meineidig sein gesinnt.

Was ihr geschieht zu Ehren, laßt uns froh drum sein.

Was ihr auch redet, Hagen, ich dien ihr nach der Treue mein."

…..
Die Rosse standen aufgezäumt den Mannen wie den Herrn:

Mit minniglichem Kusse zog da Mancher fern,

Dem noch in hohem Muthe lebte Seel und Leib;

Das muste bald beweinen manches waidliche Weib.


Wehruf und Weinen hörte man genug;

Auf dem Arm die Königin ihr Kind dem König trug:

"Wie wollt ihr so verwaisen uns beide auf ein Mal?

Verbleibet uns zu Liebe," sprach sein jammerreich Gemahl.


"Frau, ihr sollt nicht weinen um den Willen mein,

Ihr mögt hier ohne Sorgen in hohem Muthe sein:

Wir kommen bald euch wieder mit Freuden wohl gesund."

Sie schieden von den Freunden minniglich zur selben Stund.

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Sie sprach: "Du sollst mir helfen, Bruder Blödelein.

Hier in diesem Hause sind die Feinde mein,

Die Siegfrieden schlugen, meinen lieben Mann:

Wer mir das rächen hülfe, dem war ich immer unterthan."


Zur Antwort gab ihr Blödel, der ihr zur Seite saß:

"Ich darf euern Freunden nicht zeigen solchen Haß,

Weil sie mein Bruder Etzel so gerne leiden mag:

Wenn ich sie bestünde, der König säh es mir nicht nach."


"Nicht also, Herr Blödel, ich bin dir immer hold:

Ich gebe dir zum Lohne mein Silber und mein Gold

Und eine schöne Witwe, Nudungens Weib:

So magst du immer kosen ihren minniglichen Leib.


"Das Land zu den Burgen, Alles geb ich dir,

So lebst du, theurer Ritter, in Freuden stäts mit ihr,

Wenn du die Mark gewinnest, die Nudung einst besaß.

Was ich dir hier gelobe, mit Treuen leist ich dir das."

…..
Eh der Fiedelspieler die Rede sprach vollaus,

Den edeln Markgrafen sah man schon vor dem Haus.

Seinen Schild den guten setzt' er vor den Fuß:

Da must er seinen Freunden versagen dienstlichen Gruß.


Rüdiger der edle rief da in den Saal:

"Ihr Kühnen Nibelungen, nun wehrt euch allzumal.

Ihr solltet mein genießen, ihr entgeltet mein:

Wir waren ehmals Freunde: der Treue will ich ledig sein."


Da erschraken dieser Märe die Nothbedrängten Schwer.

Ihnen war der Trost entsunken, den sie gewähnt vorher,

Da sie bestreiten wollte, dem Jeder Liebe trug.

Sie hatten von den Feinden schon Leid erfahren genug.

…..
Hildebrand im Zorne zu Kriemhilden sprang.

Er schlug der Königstochter einen schweren Schwertesschwang,

Mitten wo die Borte den Leib ihr hatt umgeben.

Davon die Königstochter verlieren must ihr werthes Leben.


Das Schwert schnitt so heftig daß sie nichts empfand,

Das sie unsanft hätte berührt; sie sprach zuhand:

"Dein Waffen ist erblindet, du sollst es von dir legen:

Es ziemt nicht, daß es trage solch ein zierlicher Degen."


Da zog er von dem Finger ein golden Ringelein

Und warfs ihr vor die Füße: "Hebt ihr das Fingerlein

Vom Boden auf, so spracht ihr die Wahrheit, edel Weib."

Sie bückte sich zum Golde: da brach entzwei ihr werther Leib.


So war auch erlegen Kriemhild, o weh der Noth:

Wie so gar unmüßig war da der Tod.

Dietrich und Etzel huben zu weinen an,

Und inniglich klagen sah man so Weib als Mann.


Da war der Helden Herrlichkeit hingelegt im Tod,

Die Leute hatten alle Jammer und Noth.

Mit Leid war beendet des Königs Lustbarkeit,

Wie immer Leid die Freude am letzten Ende verleiht.


Ich kann euch nicht bescheiden was seither geschah,

Als daß man Fraun und Ritter immer weinen sah,

Dazu die edeln Knechte, um lieber Freunde Tod.

Hier hat die Mär ein Ende: das ist die Nibelungennoth