RÜCKERT, Friedrich


Weil ich nichts anders kann...


Weil ich nichts anders kann als nur dich lieben,

Will ich dich lieben denn soviel ich kann.

Zu hassen dich hatt′ ich mir vorgeschrieben,

Mit Hasse sah das Herz die Vorschrift an.

Dich zu vergessen hatt′ ich mich getrieben;

Vergessen war es, eh ich mich besann.

Da so der Haß ward von sich selbst zerrieben,

So das Vergessen in sich selbst zerrann;

So laß mich lieben denn, soviel ich kann, dich lieben,

Weil ich nichts anders als dich lieben kann.


Du bist ein Schatten am Tage


Du bist ein Schatten am Tage

Und in der Nacht ein Licht;

Du lebst in meiner Klage

Und stirbst im Herzen nicht.


Wo ich mein Zelt aufschlage,

Da wohnst du bei mir dicht;

Du bist mein Schatten am Tage

Und in der Nacht mein Licht.


Wo ich auch nach dir frage,

Find' ich von dir Bericht,

Du lebst in meiner Klage

Und stirbst im Herzen nicht.


Du bist ein Schatten am Tage

Und in der Nacht ein Licht;

Du lebst in meiner Klage

Und stirbst im Herzen nicht.


Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß


Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß;

Ich liebe dich, weil ich nichts anders kann;

Ich liebe dich nach einem Himmelschluß;

Ich liebe dich durch einen Zauberbann.


Dich lieb′ ich, wie die Rose ihren Strauch;

Dich lieb′ ich, wie die Sonne ihren Schein;

Dich lieb′ ich, weil du bist mein Lebenshauch;

Dich lieb′ ich, weil dich lieben ist mein Sein.


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Der Adler fliegt allein,

der Rabe scharenweise;

Gesellschaft braucht der Tor,

und Einsamkeit der Weise.


Ein Obdach gegen Sturm und Regen


Ein Obdach gegen Sturm und Regen

Der Winterzeit

Sucht’ ich, und fand den Himmelssegen

Der Ewigkeit.

O Wort, wie du bewährt dich hast:

Wer wenig sucht, der findet viel.

Ich suchte eine Wanderrast,

Und fand mein Reiseziel.


Ein gastlich Thor nur wünscht’ ich offen,

Mich zu empfahn,

Ein liebend Herz war wider Hoffen

Mir angethan.

O Wort, wie du bewährt dich hast:

Wer wenig sucht, der findet viel.

Ich wollte sein ihr Wintergast,

Und ward ihr Herzgespiel.


Ich bin der Welt abhanden gekommen

Ich bin der Welt abhanden gekommen,
Mit der ich sonst viele Zeit verdorben,
Sie hat so lange nicht von mir vernommen,
Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben!

Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,
Ob sie mich für gestorben hält,
Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,
Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.

Ich bin gestorber dem Weltgetümmel,
Und ruh' in einem stillen Gebiet!
Ich leb' allein in meinem Himmel,
In meinem Lieben, in meinem Lied!


Du bist mein Mond

Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;
Du sagst, du drehest dich um mich.
Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß ich werde
in meinen Nächten hell durch dich.

Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;
sie sagen, du veränderst dich.
Allein du änderst nur die Lichtgebärde
und liebst mich unveränderlich.

Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde,
nur mein Erdenschatten hindert dich,
die Liebesfackel stets am Sonnenherde
zu zünden in der Nacht für mich.


Du meine Seele...


Du meine Seele, du mein Herz,

Du meine Wonn’, o du mein Schmerz,

Du meine Welt, in der ich lebe,

Mein Himmel du, darein ich schwebe,

O du mein Grab, in das hinab

Ich ewig meinen Kummer gab!

Du bist die Ruh’, du bist der Frieden,

Du bist der Himmel mir beschieden.

Dass du mich liebst, macht mich mir wert,

Dein Blick hat mich vor mir verklärt,

Du hebst mich liebend über mich,

Mein guter Geist, mein bessres Ich!


Das Leben ein Gesang

Daß mein Leben ein Gesang,

Sag' ich's nur! geworden;

Jeder Sturm und jeder Drang

Dient ihm zu Akkorden.

Was mir nicht gesungen ist,

Ist mir nicht gelebet;

Was noch nicht bezwungen ist,

Sei noch angestrebet!

Von der Welt, die mich umringt,

Wüßt' ich unbezwingbar

Wen'ges nur; die Seele klingt,

Und die Welt ist singbar.


Der Mai macht alles neu

Der Mai macht alles grün,
Nur meine Hoffnung nicht.
Er macht die Rosen blühn,
Wie euer Angesicht,
Und läßt die Sonne glühn,
Wie euer Freudenlicht.
Der Mai macht alles grün,
Nur meine Hoffnung nicht.

Der Mai macht alles grün,
Auch meiner Kinder Grab.
Mit seinem Thaue sprühn
Die Thränen mir hinab,
Und seine Lüfte mühn
Sich mit den Seufzern ab.
Der Mai macht alles grün,
Auch meiner Kinder Grab.


Liebst du um Schönheit

Liebst du um Schönheit,

O nicht mich liebe!

Liebe die Sonne,

Sie trägt ein gold'nes Haar!

Liebst du um Jugend,

O nicht mich liebe!

Liebe den Frühling,

Der jung ist jedes Jahr!

Liebst du um Schätze,

O nicht mich liebe.

Liebe die Meerfrau,

Sie hat viel Perlen klar.

Liebst du um Liebe,

O ja, mich liebe!

Liebe mich immer,

Dich lieb' ich immerdar.



Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen


Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen,

Bald werden sie wieder nach Haus gelangen,

Der Tag ist schön, o sei nicht bang,

Sie machen nur einen weitern Gang.


Ja wohl, sie sind nur ausgegangen,

Und werden jetzt nach Haus gelangen,

O sei nicht bang, der Tag ist schön,

Sie machen den Gang zu jenen Höhn


Sie sind uns nur voraus gegangen,

Und werden nicht hier nach Haus verlangen;

Wir holen sie ein auf jenen Höhn

Im Sonnenschein, der Tag ist schön.


Um Mitternacht

Um Mitternacht

Hab' ich gewacht

Und aufgeblickt zum Himmel;

Kein Stern vom Sterngewimmel

Hat mir gelacht

Um Mitternacht.


Um Mitternacht

Hab' ich gedacht

Hinaus in dunkle Schranken.

Es hat kein Lichtgedanken

Mir Trost gebracht

Um Mitternacht.


Um Mitternacht

Nahm ich in Acht

Die Schläge meines Herzens;

Ein einz'ger Puls des Schmerzens

War angefacht

Um Mitternacht.


Um Mitternacht

Kämpft' ich die Schlacht,

O Menschheit, deiner Leiden;

Nicht konnt' ich sie entscheiden

Mit meiner Macht

Um Mitternacht.


Um Mitternacht

Hab' ich die Macht

In Deine Hand gegeben;

Herr über Tod und Leben:

Du hältst die Wacht

Um Mitternacht!


Liebst du um Schönheit


Liebst du um Schönheit,

O nicht mich liebe!

Liebe die Sonne,

Sie trägt ein gold'nes Haar!


Liebst du um Jugend,

O nicht mich liebe!

Liebe den Frühling,

Der jung ist jedes Jahr!


Liebst du um Schätze,

O nicht mich liebe!

Liebe die Meerfrau,

Die hat viel Perlen klar!


Liebst du um Liebe,

O ja mich liebe!

Liebe mich immer,

Dich lieb' ich immerdar!


Und dann nicht mehr


Ich sah sie nur ein einzigmal,

und dann nicht mehr;

da sah ich einen Himmelsstrahl,

und dann nicht mehr.


Ich sah umspielt vom Morgenhauch

durchs Tal sie gehn;

da war der Frühling im Tal,

und dann nicht mehr.


Im Saal des Festes sah ich sie

entschleiern sich,

da war das Paradies im Saal,

und dann nicht mehr.


Sie war die Schenkin, Lust im Kreis

kredenzte sie;

sie bot mir lächelnd eine Schal′,

und dann nicht mehr.


Sie war die Ros′, ich sah sie blühn

im Morgentau;

am Abend war die Rose fahl,

und dann nicht mehr.


Nur einmal weinet Gärtner Lenz

um eine Ros′,

da Tod ihm diese Rose stahl,

und dann nicht mehr.


Ein einzigmal, da sie erblich,

war herb die Lust

des Lebens, süß des Todes Qual,

und dann nicht mehr.


Ich sah die Rose Braut im Flor

verschließen in

die dunkle Kammer eng und schmal,

und dann nicht mehr.


Ich will ins Rosenbrautgemach

im Mondenglanz

noch weinen meiner Tränen Zahl,

und dann nicht mehr.


Ich sah sie nur ein einzigmal,

und dann nicht mehr,

da sah ich einen Himmelsstrahl,

und dann nicht mehr.


Kehr ein bei mir


Du bist die Ruh',

Der Friede mild,

Die Sehnsucht du

Und was sie stillt.


Ich weihe dir

Voll Lust und Schmerz

Zur Wohnung hier

Mein Aug' und Herz.


Kehr ein bei mir,

Und schließe du

Still hinter dir

Die Pforten zu.


Treib andern Schmerz

Aus dieser Brust!

Voll sei dies Herz

Von deiner Lust.


Dies Augenzelt

Von deinem Glanz

Allein erhellt,

O füll es ganz.


Das Paradies


Das Paradies muß schöner sein

Als jeder Ort auf Erden,

Drum wünscht mein Herz recht bald darein

Recht bald versetzt zu werden.


Im Paradiese muß ein Fluß

Der ew'gen Liebe rinnen,

Und jede Sehnsuchtthräne muß

Sein eine Perle drinnen.


Im Paradiese muß ein Hauch

Der Schmerzenstillung wehen,

Daß jeder Schmerz, und meiner auch,

Muß aufgelöst vergehen.


Da steht des Friedens kühler Baum

Gepflanzt auf grünen Räumen,

Und drunter muß ein stiller Traum

Von Ruh und Glück sich träumen.


Ein Cherub an der Pforte steht,

Die Welt hinweg zu schrecken,

Daß auch zu mir ihr Hauch nicht geht,

Mich aus dem Traum zu wecken.


Da wird das morsche Schiff, mein Herz,

Geankert ruhn im Hafen,

Das rege Wiegenkindlein Schmerz

Im Busen endlich schlafen.


Für jeden Dorn, der hier mich stach,

Wird sich die Rose finden,

Und Lust, die nie mir Rosen brach,

Wird sie ums Haupt mir winden.


Dort werden alle Freuden blühn,

Die in der Knosp' hier starben,

Und werden wird Ein Frühlingsgrün

Aus allen Todesgarben.


Dort wird, was je mein Herz gesucht,

Mir still entgegentreten,

Vom grünen Zweig als goldne Frucht,

Als helle Blum' aus Beeten.


Die Wünsch' und Hoffnungen der Brust,

Wie Blumen aller Zonen,

Sie werden dort in stiller Lust

Um mich zusammen wohnen.


Die Jugend, die mit Flügelschlag

An mir vorüber rauschte,

Die Liebe, die auf einen Tag

Mit Nektar mich berauschte,


Sie werden, flucht- und flügellos,

Auf ewig mich umscherzen,

Mich halten wie das Kind im Schooß,

Und ihren Liebling herzen.


Und jene Gottheit, deren Licht

Auf mich von fernher thaute,

Und deren klares Angesicht

Ich nur in Träumen schaute,


Die Poesie als Geist der Welt

Wird hell sich mir entschleiern,

Wann hell sich Freimunds Lied gesellt

Dem Chor der Sternenleiern.


Wenn die Vöglein sich gepaart.


Wenn die Vöglein sich gepaart,

Dürfen sie gleich nisten,

Ohne Sorg’, auf welche Art

Sie sich werden fristen.


Ach, dass auch der Menschen zwei

Also könnten wohnen

Wie die Vöglein frank und frei

In den Laubeskronen!


Brauchte mit der Liebsten ja

Nur ein kleines Nestchen,

Doch kein Nahrungszweig ist nah,

Der mir böt ein Aestchen.