Alfred MOMBERT



Vieles besaß ich

Vieles besaß ich;

Himmel viele.

Vieles verließ ich,

Himmel verdämmert hinter mir.

Blieb mir von allem das All

Und vom All mir blieb: der Gesang.

Der Gesang zeugt Freude.

Wunder zeugt das ruhende Herz.


Zwischen zwei dunklen Wogen …


Zwischen zwei dunklen Wogen liegend,

Ihren Untertanentrotz mir niederbiegend,

Ruf' ich meine Machtstunde auf.

Alsobald schwebt der Nachtplanet herauf,

Er lagert hoch über der glänzenden Ozeanfläche

Am Stamm der himmeldunklen Esche.

Dröhnende Stunde der feierlichen Achtung,

Der schweigenden Betrachtung.

Einst war hier nichts als mein Beruf.

Heut lieg' ich körperlich in großen Träumen

Zwischen weißen Wogenschäumen,

Und rede vom Licht, das ich erschuf.


Frühling


Frühling! -

Durch die grüne Landschaft schritten sinnend

schöne Frauen, wie sie liebt der Frühling,

ernste lichtgereckte Huldgestalten,

die den Himmel stolz und sicher tragen.

Und im Zug zuhinterst sah ich Eine,

die ich heiß gekannt in heißem Jahr,

eine sonnesüße Sünderin.

Um die Schultern gleißte noch das Haarvließ,

aus des Rheines Goldhort kühn gehoben.

Etwas bleicher schien sie doch geworden,

und verwundert glaubt' ich: größer.

Heimlich raunt' ich im Vorüberstreifen:

"Sprich - wie geht es dir? - und kannst du hoffen?" -

Doch sie sah auf mich mit fremdem Auge,

laut verkündete die blasse Lippe:

"Es ist Frühling."


Curtchen


Durch Blütenbäume kam sie aufgestiegen

zu seinem Bergpalast; die Tänzerin.

Auf dem Altane fand sie Curtchen liegen.

Er summte, summte süße Melodien.


Sie zupfte ihn errötend an den Zehen

und wich herzklopfend vor den runden Knien.

Er tat sich ärgerlich der Wand zudrehen

und summte! summte süße Melodien.


"Du wolltest - tanzen". flüstert sie verloren ...

und schwillt! und stöhnt! und tastet! über ihn.

Er hielt sich ängstlich zu die kleinen Ohren

und summte! summte! süße Melodien.



Nächte


Ich bin erschrocken

in deinem Arm erwacht.

Du glättest mir lachend die Locken:

"Das war eine stürmische Nacht."


War eine jener Nächte,

an die man sich rasend klammert,

sooft der Leichenkarren

durch die Gassen rumpelt.


Aus dem Meer-Abgrund


Aus dem Meer-Abgrund
reichen luftige Gestalten
zu mir auf einen ehernen Becher.
Er wandert durch die Purpurnacht der Tiefe,
zwischen Korallen und Medusen
beglänzt von bunten Märchenaugen;
aus strudelndem Schachte schießt er hoch,
entschlüpfend dem Macht-Schlag der grünen Woge
Aufwärts schäumend in den Licht-Äther
- Hinabblick über Welt und Meer -
dringt er in die morgenroten Wolken,
verschwindend unten, jetzt schon oben sichtbar:
auf, herauf,
über Welten, über Sternen spielend - :
Herauf an meine Lippe.

Meinen frühsten Becher halte ich wieder.
In seinem Tranke spiegelt
wundersam mein Bild.
Ein Auge erblick' ich. Drin versank
Gott und die Urwelt und manch herrliches Weib.
Drin schwankt jetzt traumhaft
des Chaos selige Blüte:
Die Tänzerin der Nacht.



Der Besuch


Auf einem Sofa saß ich wieder

und tat mit einem Hündchen spielen;

doch konnt' ich's nicht lassen, hin und wieder

nach einem Angesicht zu schielen.


Wie wenig hat sie sich verändert!

Die kleinen Züge! die feinen Striche!

Das große Auge stolzumrandert

und drinnen blinkernd silberne Fische —


Die schlanke Hand ruht noch so gerne

auf einem weichen weichen Haare —

darüber leuchten Mond und Sterne,

gekauft in türkischem Bazare —


Ich spiele, lache mit einem Hündchen,

mein Blut schwillt tobend, stürzt beklommen,

ich warte — warte, daß einem Mündchen

die alte Sprache will wiederkommen ...


Dämmerstunde


Du sitzest traurig mir gegenüber.

Vielleicht auch, daß du weinst.

Du bist nicht, was du scheinst,

und meine Hand hat deine sinken lassen.

In fernen Sonnelanden, drüber

der Himmel tiefer blaut, kann ich dich fassen.

Aus lockend irr verschlungenen Gassen

tönt Mandolinenklang - zieht so fein

mich in das tief versteckte Haus hinein ...


Du bist nicht, was du scheinst!

Du bist Erinnerung von jenen Sonnen!

Du bist Erinnerung von jenen Wonnen! -

Ein Wenig abgeblaßt; ein Wenig trüber ...


Du sitzest traurig mir gegenüber.

Ich glaube, du weinst.


Warm die Lüfte


Warm die Lüfte,

es sprießt Gras auf sonnigen Wiesen.

Horch!-

Horch, es flötet die Nachtigall...

Ich will singen:


Droben hoch im düstern Bergforst,

es schmilzt und glitzert kalter Schnee,

ein Mädchen im grauen Kleide

lehnt am feuchten Eichstamm,

krank sind ihre zarten Wangen,

die grauen Augen fiebern

durch Düsterriesenstämme.

"Er kommt noch nicht. Er läßt mich warten"...


Stirb!

Der Eine stirbt, daneben der Andere lebt:

Das macht die Welt so tiefschön.


Schlafend trägt man mich

Schlafend trägt man mich

in mein Heimatland.

Ferne komm' ich her,

über Gipfel, über Schlünde,

über ein dunkles Meer

in mein Heimatland.


Nun ich der Riesen Stärksten überwand


Nun ich der Riesen Stärksten überwand,

mich aus dem dunkelsten Land

heimfand

an einer weißen Märchenhand -

Hallen schwer die Glocken.

Und ich wanke durch die Gassen

schlafbefangen.