KRÜGER Michael



Auf dem ersten Blick


Eigentlich hat sich nichts verändert:

die Kastanie vor dem Haus, vom Efeu gemartert,

die Pflaumenbäume auf ihrem blauen Teppich,

der süße Geruch der Kindheit und des Verfalls.

Vom Tal herauf dröhnen die Laster,

und der Schatten läuft eilig ums Haus,

gegen die Zeiger der Uhr, und prüft den Kummer.

Sogar der Brunnen steht noch wie ein Gedicht.

Als ich hineinsah, grüßte von unten, von Grund,

ein Gesicht, von Fröschen in Falten gelegt.

Sein Mund stand weit offen, als wollte er schreiren.

Nur die Wege ums Dorf haben sich vermehrt,

und einer führt geradenwegs durch mein Herz.

Aber sonst hat sich nichts verändert.


Wenn der Apfelbaum nicht wär


Wenn mich nicht alles täuscht,

hat Gott sich in meinem Apfelbaum versteckt.

Zum ersten Mal seit Jahren hat er sich

ausgerechnet diesen Baum ausgesucht,

nicht gerade einen aufrechten Vertreter

seiner Gattung, dessen Früchte holzig sind

und bitter schmecken. Aber die Bienen

lieben ihn.

Es wird immer sinnloser,

an einen Sinn zu glauben,

der schwerer wiegt als das Vermischte.

Wenn der Apfelbaum nicht wär

in meinem Garten, ich gäbe auf.

Mit jedem Ticket erhält man eine kleine Sanduhr

aus Plastik, die im Morgengrauen abgelaufen ist,

manche halten sie schräg, um die Zeit zu betrügen.

Am Ende des Lebens

wird dir ein Tag geschenkt,

den darfst du verprassen

am Bahnhofsbuffet

zusammen mit Tauben und Spatzen.