LORENZ, Konrad



Das sogenannte Böse

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Eine im menschlichen Kulturleben entwickelte ritualisierte Sonderform des Kampfes ist der Sport. Wie phylogenetisch entstandene Kommentkämpfe verhindert er sozietätsschädigende Wirkungen der Aggression und erhält gleichzeitig ihre arterhaltenden Leistungen unverändert aufrecht. Außerdem aber vollbringt diese kulturell ritualisierte Form des Kämpfens auch die unvergleichlich wichtige Aufgabe, den Menschen zur bewußten und verantwortlichen Beherrschung seiner hstinktmäßigen Kampfreaktion zu erziehen. Die ‚Fairneß‘ oder Ritterlichkeit des Sports, die auch unter stark aggressionsauslösenden Reizwirkungen aufrechterhalten wird, ist eine wichtige kulturelle Errungenschaft der Menschheit. Außerdem wirkt der Sport segensreich, indem er wahrhaft begeisternden Wettstreit zwischen überindividuellen Gemeinschaften ermöglicht. Er öffnet nicht nur ein ausgezeichnetes Ventil für gestaute Aggression in der Form ihrer gröberen, mehr individuellen und egoistischen Verhaltensweisen, sondern gestattet ein volles Ausleben auch ihrer höher differenzierten kollektiven Sonderform. Kampf um die Rangordnung innerhalb der Gruppe, gemeinsamer harter Einsatz für ein begeisterndes Ziel, mutiges Bestehen großer Gefahren und gegenseitige Hilfe unter Mißachtung des eigenen Lebens usw. sind Verhaltensweisen, die in der Vorgeschichte der Menschheit hohen Selektionswert besaßen. Unter der schon geschilderten Wirkung intraspezifischer Selektion wurde sie weiter hochgezüchtet, und bis in die jüngste Zeit waren sie sämtlich in gefährlicher Weise geeignet, vielen mannhaften und naiven Menschen den Krieg als etwas keineswegs ganz Verabscheuungswürdiges erscheinen zu lassen. Deshalb ist es ein großes Glück, daß sie sämtlich in den härteren Formen des Sports, wie Bergsteigen, Tauchen oder Expeditionen und dergleichen ihre volle Befriedigung finden. Die Suche nach weiteren, möglichst internationalen und möglichst gefährlichen Wettbewerben ist nach Ansicht Erich von Holsts das wichtigste Motiv für die Raumflüge, die eben deshalb so sehr im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen. Mögen sie das auch weiterhin tun!

Wettkämpfe zwischen Nationen stiften indes nicht nur dadurch Segen,“ daß sie ein Abreagieren lationaler Begeisterung ermöglichen, sie rufen noch zwei weitere Wirkungen hervor, die der Kriegsgefahr entgegenwirken: Sie schaffen erstens persönliche Bekanntschaft zwischen Menschen verschiedener Nationen und Parteien, und zweitens rufen sie die einigende Wirkung der Begeisterung dadurch hervor, daß sie Menschen, die sonst wenig gemeinsam hätten, für dieselben Ideale begeistern. Dies sind zwei machtvolle der Aggression entgegenwirkende Kräfte

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