MENSCHING, Steffen



Für Peter WEISS


Einmal, später, irgendwann

werden wir die Siegel der Archive brechen.

Beieinander sitzend dann

das nie Ausgesprochene aussprechen.


Auf den Tisch die Hände legen,

sie nicht mehr zur Faust ballen.

Nicht soviel die Finger bewegen,

Keiner über keinen herfallen


Verratene Opfer Verräter

Prozesse Verhöre Aussagen Anklagen


Irgendwann, hoffentlich bald, aber später,

werden wir die ganze Wahrheit ertragen.


Nennen werden wir Helden Helden

Verbrechen Verbrechen.


nacheinander werden wir zu wort uns melden,

das Schweigen brechen,


das taktische dumpfe beredsame Schweigen.


Sehr grell wird das Licht sein in diesen Tagen,

wenn wir die Wunden einander zeigen,

die wir einander geschlagen,


die alten eiternden Narben, die verfluchten

verhassten,

in die mit schmutzigen schwitzigen Händen

unsere Feinde hineinfassten,

um unsere Toten zu schänden.


Wir würden den Sieg nicht kleiner

wir würden ihn reiner machen.



Nachtschattengewächse


Deine besten Gedichte erscheinen in der Nacht

zwischen zwei Träumen wie unverhoffter Besuch,

kein Wort zu viel, kein Wort zu wenig, erklären sie

das Leben, die Liebe, die Lüge und reimen sich

ohne Gleichklang, dialektische Blitze wie sie

Walter Benjamin gefallen hätten, streng logisch

und voll metaphysischer Ticks, du memorierst Zeile

für Zeile, bist aber zu faul, das Licht anzuschalten,

um sie zu notieren, beim Erwachen, denkst du,

wirst du dich jeder Silbe erinnern und schläfst

wieder ein, am Morgen bleibt von ihnen nichts als

eine vage Erinnerung an einen glücklichen Augenblick,

den du bemerktest, aber nicht festhalten konntest.