SAYER, Walle
Omen
Es ist nichts,
es bedeutet nichts,
ist doch ein vergessenes
Photo nur, liegengeblieben
auf der Fensterbank, wo es
die Sonne anzieht, sich wellt,
ein rückentwickeltes Negativ
eines gestellten Augenblicks,
auf dem am Abend kaum noch
etwas zu erkennen ist, nur
Körperumrisse, zerfliessende
Farben, unser Lachen als
Schattenablagerung.
Anekdotische Privatentnahme
Alles, was du nicht verstanden hast,
hat dich zu dem gemacht, was du bist.
-Charles Simic
Großvater, wie er nächtelang
in seiner Kammer vagabundierte,
einmal, an einem Himmelfahrtstag,
das Bänklein vorm Haus blau anstrich,
und es Tage später im Rappel
versägte zu Kleinholz,
ich, sein ahnungsloser Mitwisser,
wenn er am Hintereingang vom Edeka
Eier eintauschte gegen Flaschenbier,
indes Großmutter ihren kranken Hennen
die doppelte Menge gab an Legemehl,
wie er die letzte Ölung bekam
und am folgenden Morgen aufstand,
um Nistkästen aufzuhängen,
einmal erwiderte:
Sekunden abzopfeln,
ohne dabei aufzusehn,
bei einer Gewitterpredigt, ein andermal,
zu den Donnerschlägen mir erklärte: dort oben
wird wohl grad ein Engel degradiert,
er, mit seinen tabakgelben Fingerspitzen,
mit denen er Geburtstagskerzen löschte, eigen
jedem Docht die Flamme einzeln nahm,
sein Lieblingsspruch, dass doch
alles sei nur für die Katz,
und die,
ein schnurrendes Luder,
mit schon wieder Stücker vier Jungen
in einem Winkelnest seiner Werkstatt,
seiner Werkstatt, wo ihm
genug an Tageslicht hereinschien
durch ein gesprungenes Fenster.
Eingrenzung
Als sei Jetzigkeit
allein schon Gegenwart,
die Ferne hinter der Mauer nichts
als die Ferne hinter der Mauer,
an einem Vortag wie diesem,
nasskalt, auf Allerheiligen hin,
das irgendjemand das garrende
Friedhofstor geölt hat
und die Gräber gerichtet sind,
die Schmerzparzellen.