KRAUS, Karl
Das arme Leben
Tust du nicht unrecht diesen Freuden?
Verbergen sie nicht Gram und Qual?
Verzittert nicht das tiefste Leiden
in einem Tränenbach-Kanal?
Hat doch der Glaube sie zum Narren,
daß jeder Schritt ins Freie drängt,
wenn sie in diese Enge starren,
die sich nur immer mehr verengt.
Bange macht jedem jede Stunde,
die von ihm abnimmt Stück für Stück,
und jeder zieht mit einer Wunde
in sein Verhängnis sich zurück.
Wer fühlt das Leben nicht vertropfen
und wie es in den Tod verfällt!
Sie hören ihre Herzen klopfen,
und eben darum lärmt die Welt.
Jeglicher Blick verkürzt das Dauern
von der bemessnen Wartezeit,
und jeder Atemzug ist Schauern,
und jeder Gang ein Grabgeleit.
Wenn sie verrucht den andern nahmen
den zugeteilten Henkerschmaus,
es hat zum vorbestimmten Amen
der vollste Magen nichts voraus.
Heben vergebens ihre Hände,
eh sie vereint das letzte Band.
Sie reichen alle doch am Ende
einander ihre Totenhand.
Man frage nicht
Man frage nicht, was all die Zeit ich machte.
Ich bleibe stumm;
und sage nicht, warum.
Und Stille gibt es, da die Erde krachte.
Kein Wort, das traf;
man spricht nur aus dem Schlaf.
Und träumt von einer Sonne, welche lachte.
Es geht vorbei;
nachher war's einerlei.
Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte.