RINGELNATZ, Joachim
Das dunkle Bild
Ein Bild geschwärzt durch Rauch und Zeit.
Die meisten wohl verstanden es nicht:
Ein Tannenwald vereist und verschneit.
Aus fernem Dunkel schimmert ein Licht.
Mir kommt ein heiß Verlangen
Dem Lichtschein nachzugehen
Um dann mit erglühenden Wangen
Still durchs Fenster zu sehen.
Ein Freundeskreis zu später Stund
Umglüht von dämmerndem Ampelschein
Und blonde Frauen in diesem Bund.
Lachende Jugend bei goldenem Wein.
Und bärtige Männer geigen
Lieder aus fremden Ländern.
Süß lockt aus buntem Reigen
Das Rauschen von Gewändern.
Taufrische Blüten duften mild
Und sprühen in Farben wie Geschmeid
Und Augen erzählen trunken wild
Von Liebe, Treue und tiefem Leid.
In Farb und Klang verweben
Sich Bilder, zerfließen, zerschäumen,
Bilder aus meinem Leben,
Bilder aus meinen Träume
Und auf einmal steht es neben dir
Und auf einmal merkst du äußerlich:
Wieviel Kummer zu dir kam,
Wieviel Freundschaft leise von dir wich,
Alles Lachen von dir nahm.
Fragst verwundert in die Tage.
Doch die Tage hallen leer.
Dann verkümmert Deine Klage …
Du fragst niemanden mehr.
Lernst es endlich, dich zu fügen,
Von den Sorgen gezähmt.
Willst dich selber nicht belügen
Und erstickst, was dich grämt.
Sinnlos, arm erscheint das Leben dir,
Längst zu lang ausgedehnt. – – –
Und auf einmal – : Steht es neben dir,
An dich angelehnt – –
Was?
Das, was du so lang ersehnt.
Vorfreude auf Weihnachten
Ein Kind – von einem Schiefertafel-Schwämmchen
Umhüpft – rennt froh durch mein Gemüt.
Bald ist es Weihnacht! – Wenn der Christbaum blüht,
Dann blüht er Flämmchen.
Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt
Uns mild. – Es werden Lieder, Düfte fächeln. –
Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt,
Wird dann doch gütig lächeln.
Wenn wir im Traume eines ewigen Traumes
Alle unfeindlich sind – einmal im Jahr! –
Uns alle Kinder fühlen eines Baumes.
Wie es sein soll, wie’s allen einmal war.