TÖRNE, Volker von



Gedanken im Mai


Ich rede von mir: Volker von Törne, geboren

Im vierunddreißigsten Jahr des zwanzigsten Jahrhunderts

Als meine Genossen schon kämpften gegen die Mörder

Die mich aufzogen als ihresgleichen

Nach ihrem Bilde:


Und ich trank die Milch

Die dem Hungernden fehlte. Und ich trug das Kleid

Meinem Bruder geraubt. Und ich las die Bücher

Die den Raub billigten. Und ich hörte die Reden

Die aufriefen zum Mord:


Und ich nannte den Schlachthof

Mein Vaterland, als schon die Völker aufstanden

Gegen mein Volk. Und ich betete für den Endsieg

Der Mörder, als schon die Städte

Aufgingen in Rauch:


Und schuldig war ich

Am Tod jedes Menschen, ahnungslos atmend

Unter den Galgenästen

Süßduftender Linden



Antwort


Was mich betrifft: Ich weiß es besser

(und weiß doch auch nicht ein und aus).

Ich weiß: Die Dummheit liefert uns ans Messer

und setzt uns einen roten Hahn aufs Haus.


Du klagst, als wären es Naturgewalten,

was uns da brüllend in die Messer treibt,

als gäbs nicht Herrn, die Finsternis verwalten,

damit es dunkel in den Köpfen bleibt.


Wir sind mit Dummheit bitterbös in Fühlung

(und kaufen schließlich, wenn wir leisetreten,

die Sintflut ein als komfortable Wasserspülung).


Es nützt dir nicht, die Dummheit zu verachten.

Statt ihm die Läuse aus dem Pelz zu jäten,

lad ich dich ein, den Leviathan zu schlachten!



Peinliche Selbstbefragung


Ich habe manch Wald von Blättern leergefegt

Hab all die wilden Blumen gepflegt und gehegt

Hab an manchen Versstamm arg rumgesägt

Mich mit den dümmsten Kuckucken angelegt

Dann packte es mich am ganzen Leib

Bin Kind nicht Mann nicht noch mal Weib

Frage mich wohl oft, warum ich hier nicht bleib

Wort an Satz zu Zeilen setze und andre Verse schreib