THEOBALDY, Jürgen



Hier die Anrede


Für Nicolas Born


Die Wege, oft gegangen, wurden tiefer,

der weite Deich, die Ferne, nichts gab Ruhe.

Dir blieben bloß der Schmerz, der hohle Atem,

dein Körper noch, verhärtet, Müdigkeit.


Sprachst von Jahren, sprachst von letzten Fristen,

du wolltest weiter, Hoffnung: Sommer, zwei noch.

Sahst das Haus, die beiden rohen Zimmer,

dort würdest du, im Herbst schon, schreiben.


Die ersten späten Tage im November,

sie, letzte Spuren, plirrend auf den Scheiben.

Der Regen tropfte, kahle Zufahrtswege,

die Autos trieben Lichter durchs Gehölz.


Gedichte zeugen, deine Schrift, die Stimme,

im Blätterrausch noch einmal du: dein Traum

der Bilder, des Gewebs, der Bücher. Knochen.


Arbeit mit Papier


Aus jedem Gedicht kannst du

eine Schwalbe machen.


Du musst es aber richtig falten.


Aus jedem Gedicht, hörst du,

auch aus dem missglückten.

Nun denke dir den Himmel dazu.



Blues aus Bayern


Mein Großvater war ein rollender Stein

er rollte die Alpen herab

zog eine breite Spur durch München

pflanzte keinen Baum las kein gutes Buch

tötete seinen ärgsten Feind nicht

machte sieben Kinder und verschwand

hinter dem Bodensee in der Schweiz

in einem kalten ausgeräumten Zimmer

mit nichts als einer Menge Bierflaschen

auf dem Boden neben der Matratze