ANONYM – Guter Mond, du gehst so stille


Guter Mond, du gehst so stille

Guter Mond, du gehst so stille

In den Abendwolken hin,

Bist so ruhig, und ich fühle,

Daß ich ohne Ruhe bin!

Traurig folgen meine Blicke

Deiner milden, heitern Bahn;

O wie hart ist das Geschicke,

Daß ich dir nicht folgen kann!


Guter Mond, dir will ich’s klagen,

Was mein banges Herze kränkt,

Und bei allen meinen Plagen

Die betrübte Seele denkt.

Guter Mond, du sollst es wissen,

Weil du so verschwiegen bist,

Warum meine Thränen fließen,

Und mein Herz so traurig ist.


Dort in jenem kleinen Thale,

Wo viel junge Bäumchen stehn,

Und nicht weit vom Wasserfalle

Wirst du eine Hütte sehn.

Geh’ durch Thäler, Feld und Wiesen,

Blicke sanft durch’s Fenster hin;

So erblickest du Elisen,

Aller Mädchen Königinn.


Nicht in Gold, und nicht in Seide

Wirst du dieses Mädchen sehn,

Nur in einem weißen Kleide

Pflegt sie stets einher zu gehn.

Nicht von Adel, nicht vom Stande,

Was man sonst so hoch verehrt;

Nicht in einem Ordensbande

Hat dies Mädchen ihren Werth.


Nur ihr Reiz, ihr gutes Herze

Macht sie liebenswerth bei mir,

Sanft im Ernst, und froh im Scherze,

Jeder Zug ist gut an ihr;

Ausdrucksvoll sind die Geberden

Schön und heiter ist ihr Blick.

Kurz, von ihr geliebt zu werden,

Ist für mich das größte Glück.


Mond, du Freund der keuschen Triebe,

Schleiche in ihr Hüttchen ein,

Sage ihr: daß ich sie liebe

Und sie mein ist ganz allein,

Mein Vergnügen, meine Freude,

Meine Lust, mein Alles ist;

Daß ich gerne um sie leide,

Wenn sie mich zuweilen küßt.


Daß ich aber schon gebunden,

Und auch leider! zu geschwind

Meine süßen Freiheitsstunden

Von mir weggeschwunden sind;

Daß ich aber ohne Sünde

Leben könne in der Welt: –

Geh’ und sag’ dem schönen Kind,

Ob ihr diese Lieb’ gefällt?