PICHLER, Caroline


Der Unglückliche


Die Nacht bricht an, mit leisen Lüften sinket

Sie auf die müden Sterblichen herab;

Der sanfte Schlaf, des Todes Bruder, winket,

Und legt sie freundlich in ihr täglich Grab.


Jetzt wachet auf der lichtberaubten Erde

Vielleicht nur noch die Arglist und der Schmerz,

Und jetzt, da ich durch nichts gestöret werde,

Laß deine Wunden bluten, armes Herz.


Versenke dich in deines Kummers Tiefen,

Und wenn vielleicht in der zerrissnen Brust

Halb verjährte Leiden schliefen,

So wecke sie mit grausam süßer Lust.


Berechne die verlornen Seligkeiten,

Zähl' alle, alle Blumen in dem Paradies,

Woraus in deiner Jugend goldnen Zeiten

Die harte Hand des Schicksals dich verstieß.


Du hast geliebt, du hast das Glück empfunden,

Dem jede Seligkeit der Erde weicht.

Du hast ein Herz, das dich verstand, gefunden,

Der kühnsten Hoffnung schönes Ziel erreicht.


Da stürzte dich ein grausam Machtwort nieder,

Aus deinen Himmeln nieder, und dein stilles Glück,

Dein allzuschönes Traumbild kehrte wieder

Zur besser'n Welt, aus der es kam, zurück.


Zerrissen sind nun alle süßen Bande,

Mir schlägt kein Herz mehr auf der weiten Welt.