OPITZ, Martin


Schönheit dieser Welt vergeht


Schönheit dieser Welt vergeht,

Wie ein Wind, der niemals steht,

Wie die Blume, so kaum blüht,

Und auch schon zur Erden sieht,

Wie die Welle, die erst kimmt

Und den Weg bald weiter nimmt.

Was für Urteil soll ich fällen?

Welt ist Wind, ist Blum und Wellen.



Ich will dies halbe Mich


Ich will dies halbe Mich, was wir den Körper nennen,
Dies mein geringstes Teil, verzehren durch die Glut,
Will wie Alcmenen Sohn mit unverwandtem Mut
Hier diese meine Last, den schnöden Leib, verbrennen.


Den Himmel auf zu gehn: mein Geist beginnt zu rennen
Auf etwas Bessers zu. Dies Fleisch, die Hand voll Blut,
Muß ausgetauscht sein für ein viel besser Gut,
Das sterbliche Vernunft und Fleisch und Blut nicht kennen.


Mein Licht, entzünde mich mit deiner Augen Brunst,
Auf daß ich dieser Haut, des finstern Leibes Dunst,
Des Kerkers voller Wust und Grauens, werd entnommen


Und ledig, frei und los, der Schwachheit abgetan,
Weit über alle Luft und Himmel fliegen kann,
Die Schönheit anzusehn, von der die deine kommen.



Lied


Ach Liebste, laß uns eilen,

Wir haben Zeit,

Es schadet uns verweilen

Uns beiderseit.


Der edlen Schönheit Gaben

Fliehen Fuss für Fuss,

Dass alles, was wir haben,

Verschwinden muss.


Der Wangen Ziehr verbleichet,

Das Haar wird greiss,

Der Augen Feuer weichet,

Die Brunst wird Eiss.


Das Mündlein von Corallen

Wird ungestalt,

Die Händ' als Schnee verfallen,

Und du wirst alt.


Drum lass uns jetzt geniessen

Der Jugend Frucht,

Eh' als wir folgen müssen

Der Jahre Flucht.


Wo du dich selber liebst,

So liebe mich,

Gib mir das, wann du giebst,

Verlier auch ich.



Carpe diem

Ich empfinde fast ein Grauen,

dass ich, Plato, für und für

bin gesessen über dir.

Es ist Zeit hinauszuschauen

und sich bei den frischen Quellen

in dem Grünen zu ergehn.

wo die schönen Blumen stehn

und die Fischer Netze stellen!


Wozu dient das Studieren

als zu lauter Ungemach!

Unterdessen läuft die Bach

unsers Lebens, das wir führen,

ehe wir es inne werden,

auf ihr letztes Ende hin:

dann kömmt ohne Geist und Sinn

dieses alles in die Erden.


Hola, Junger, geh und frage,

wo der beste Trunk mag sein,

nimm den Krug und fülle Wein!

Alles Trauren, Leid und Klage,

wie wir Menschen täglich haben,

ehe uns Clotho fortgeraft,

will ich in den süssen Saft,

den die Traube gibt, vergraben.


Kaufe gleichfalls auch Melonen

und vergiss des Zuckers nicht,

schaue nur, dass nichts gebricht!

Jener mag der Heller schonen,

der bei seinem Gold und Schätzen

tolle sich zu kränken pflegt

und nicht satt zu Bette legt;

ich will, weil ich kann, mich letzen!


Bitte meine guten Brüder

auf die Musik und ein Glas!

Kein Ding schickt sich, dünkt mich, bass

als gut Trank und gute Lieder.

Lass ich gleich nicht viel zu erben,

ei, so hab ich edlen Wein!

Will mit andern lustig sein,

muss ich gleich alleine sterben.


Sonett


Aus dem Italienischen Petrarchae.


Ist Liebe lauter nichts, wie dass sie mich entzündet?

Ist sie dann gleichwohl was, wem ist ihr Tun bewusst?

Ist sie auch recht und gut, wie bringt sie böse Lust?

Ist sie nicht gut, wie dass man Freud aus ihr empfindet?


Lieb ich gar williglich, wie dass ich Schmerzen trage?

Muss ich es tun, was hilfts, dass ich solch Trauren führ?

Tu ichs nicht gern, wer ists, der es befiehlet mir?

Tu ich es gern, warum, dass ich mich dann beklage?


Ich wanke wie das Gras, so von den kühlen Winden

Um Vesperzeit bald hin geneigt wird, bald her.

Ich walle wie ein Schiff, das in dem wilden Meer


Von Wellen umjagt nicht kann zu Rande finden.

Ich weiss nicht was ich will, ich will nicht was ich weiss,

Im Sommer ist mir kalt, im Winter ist mir heiss.



Elegie


In dem die Sonne sich hat in das Meer begeben

Und das gestirnte Haupt der Nacht herausser bricht

Sind Menschen, Vieh und Wild wie gleichsam ohne Leben

Der Monde scheint auch gar kaum mit halbem Licht.


Ich, obschon alles schläft, muss ohne Aufhören wachen

Von vielen Tagen her und wallen ohne Ruh:

Ist schon die ganze Welt befreit von ihren Sachen

So bring′ ich doch vor Lieb′ und Angst kein Auge zu.


Auch dich, Asterie, hat ganz der Schlaf umringt

Der Tagesarbeit furth dess Todes Ebenbild;

Da mir der Zehren Bach aus beiden Augen dringt

Bist du mit sanfter Ruh auf deinem Beth erfüllt.

Wie wenn sich Delia hat in den Walt verborgen

Wird durch den Schlaf erwischt und fällt ins grüne Gras;

Und wie die Nymphen auch sich legen gegen morgen

Nach dem der Nachttanz sie gemacht hat müd und lass.


Sie ruhen sicherlich bei einem frischen Bronnen

Die Bäume halten auf der Morgenröte Licht;

Dass sie nicht alsobald erwachen von der Sonnen

Deckt sie der dicke Wald: Pan aber schläft nicht.


Er geht, er ruft, er schreit mit sehnlichem Verlangen

Dass seine stimm erklingt durch Bûsche, Berg und Tal

Und sie sind sänftiglich mit süssem Traum umfangen

Dem Pan antwortet nur der blosse Widerschal.


Du auch mein Leben schläfst, ich muss in Nöthen wallen

Du bist in guter Ruh, ich wache für und für

Bis mich der letzte Tod wird endlich überfallen

Auf den ich sehnlich wart allhier bei deiner Tür.



Jetzund kommt die Nacht herbei

Jetzund kommt die Nacht herbei

und Vieh und Menschen werden frei

Die gewünschte Ruh geht an

meine Sorge kommt heran


Schöne glänzt der Mondenschein
Und die gülden Sternelein

Froh ist alles weit und breit

Ich nur bin in Traurigkeit


Zweene mangeln überall

An der schönen Sternen Zahl

Diese Sterne die ich mein

Ist der Liebsten Augenschein


Nach dem Monden frag ich nicht

Dunkel ist der Sternen Licht

Weil sich von mir weggewendt

Asteris, mein Firmament


Wann sich aber neigt zu mir

Dieser meiner Sonnen Zier

Acht ich es das beste sein

Dass kein Stern noch Monde schein



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Ich gleiche nicht mit dir des weissen Mondens Licht:

Der Monde fâllt und steigt; du bleibst in einem Schein:

Ja nicht die Sonne selbst: die Sonn' ist ganz gemein

Gemein' auch ist ihr Glanz; du bist gemeine nicht.


Du zwingst durch Zucht den Neid wie sehr er auf dich sticht.

Ich mag kein Heuchler sein der bei mir selbst vernein

Das was ich jetzt gesagt: es gleicht sich dir kein

Du bist dir ähnlich selbst; ein ander Bild gebricht


Das dir dich zeigen kan; du bist dein eigen Glücke

Dein eigenes Gestirn der Schönheit Meisterstücke.

Du hättest sollen sein wie noch die Tugend war


Geehrt als ein Gott in der Welt ersten Jugend

So wäre wohl gewiss gewesen deine Tugend

Die Kirch' und Opferung der Weirauch und Altar.


Beschluss Elegie


Das blinde Liebeswerk, die süsse Gift der Sinnen,

Und rechte Zauberei hat letzlich hier ein End′:

Es wird das lose Kind so mich verführen können

Gott lob, jetzt ganz und gar von mir hinweg gewendt.


Nun suche wo du wilt dir anderwerts Poeten;

Hier, Venus, hab′ ich mir gesteckt mein eignes Ziel;

Es ist mir deine Gunst jetzt weiter nicht vonnöten;

Ich hass′ all′ Eitelkeit; es liebe wer da will.


Was meine schwache Hand vor dieser Zeit geschrieben

Durch deinen Geist geführt das ist der Jugend schuld;

Ich werde weiter nicht von solcher Lust getrieben;

Was dir gehässig ist zu diesem trag′ ich huld.


Wann Urteil und Verstand bei mir zu Rate sitzen

So hattest du mir zwar betört den jungen Sinn:

Jetzt seh′ ich dass dein Sohn sei ohne wahn und Witzen

Du aber, Venus, selbst ein′ edle Kupplerin.


Dein Wesen ist ein Markt da Leid wird feil getragen

Ein Winkel da verdruss und Wehmut innen steht,

Ein′ Herberg′ aller Not, ein Siechhaus vieler Plagen,

Ein Schiff der Pein, ein Meer da Tugend untergeht.


Wo soll die Schönheit sein wann alles wird vergehen

Die Lippen von Korall dies Alabaster Bild

Die Augen so ihr seht gleich als zwo Sonnen stehen

Der rote Rosenmund der weissen Brüste Schild?


Sie sollen und wir auch als Asch′ und Staub entfliehen

Und allzugleich gehen den Weg der Eitelkeit:

Pracht, Hoffart, Gut und Geld um das wir uns so mühen

Wird Wind und Flügel noch bekommen mit der Zeit.


Ich lass′ es alles stehen: das Ende meiner Jugend

Und Frucht der Liebeslust beschliess′ ich ganz hierein:

Ein Werk das höher ist der Anfang meiner Tugend

Ob dieses gleich verdirbt soll nimmer sterblich sein.