NICK, Dagmar


Vision


De Städte werden Asche sein,

das Land ein nackter Schattenriss.

Die Städte werden Asche sein,

und zögernd wird der Feuerschein

ersticken zwischen dem Gebein

der schweigenden Nekropolis.


Die Toten werden auferstehn

aus Erde, Rauch und Meeresschaum.

Die Toten werden auferstehn

und durch die leeren Räume gehn,

als wäre alles, was geschehn,

ein Traum.



Flucht


Weiter. Weiter. Drüben schreit ein Kind.

Laß es liegen, es ist halb zerrissen.

Häuser schwanken müde wie Kulissen

durch den Wind.

Irgendjemand legt mir seine Hand

in die meine, zieht mich fort und zittert.

Sein Gesicht ist wie Papier zerknittert,

unbekannt.

Ob Du auch so um dein Leben bangst?

Ach, ich habe nichts mehr, kaum ein Leben,

nur noch Angst.



Nachtwache


Ich will nicht deine Träume stören.

Die stummen Nächte bleiben dein.

Ich will nur deine Atemzüge hören

und bei dir sein.


Und wachen, weil des Mondes Schimmer

dein Antlitz ganz veränderte,

weil kaltes Licht das fremd gewordne Zimmer

umränderte.


Und warten, bis ein Stern zersplittert

und hinter deine Stirne fällt.

Erwache nicht: Es ist mein Herz, das zittert,

weil es dich hält.



Geh über Nacht


Schlage die Tür zu

und vergrabe den Schlüssel

in keiner Erinnerung.

Nimm keinen Abschied.

Du hast deine Hoffnung

getränkt mit Galle:

jetzt steht der Schierling

mannshoch.


Schlage den Weg ein,

den du vergessen wirst.

Geh über Nacht.

Nimm Aufenthalt,

wo du nicht bleiben wirst,

decke dich zu

mit dem Schatten der Sterne.

Gib keine Antwort



Abschiede


Auch die Abschiede werden jetzt leichter,

als wären sie nicht so gemeint.

Horizonte voll unerreichter

Hoffnungen - weggeweint.


Dein Winken zurückgeworfen.

Deine Hände versinken im Meer.

Kein Anker für meine amorphen

Träume der Wiederkehr.


Abschiede. Nirgends war Dauer.

Schon zerrieselt dein Aschengesicht.

Am Ende ist auch die Trauer

ohne Gewicht.