LESSING, Gotthold Ephraim



Lied aus dem Spanischen

Gestern liebt‘ ich,

Heute leid‘ ich,

Morgen sterb‘ ich:

Dennoch denk‘ ich

Heut und morgen

Gern an gestern.


An die Leier


Töne, frohe Leier,
Töne Lust und Wein!
Töne, sanfte Leier,
Töne Liebe drein!

Wilde Krieger singen,
Haß und Rach' und Blut
In die Laute singen,
Ist nicht Lust, ist Wut.


Zwar der Heldensänger
Sammelt Lorbeern ein;
Ihn verehrt man länger.
Lebt er länger? Nein.


Er vergräbt im Leben
Sich in Tiefsinn ein:
Um erst dann zu leben,
Wann er Staub wird sein.


Lobt sein göttlich Feuer,
Zeit und Afterzeit!
Und an meiner Leier
Lobt die Fröhlichkeit.



Die Liebe


Ohne Liebe

Lebe, wer da kann.

Wenn er auch ein Mensch schon bliebe,

Bleibt er doch kein Mann.


Süße Liebe,

Mach' mein Leben süß!

Stille nie die regen Triebe

Sonder Hindernis.


Schmachten lassen

Sei der Schönen Pflicht!

Nur uns ewig schmachten lassen,

Dieses sei sie nicht.


Abschied eines Freundes


Schon hast du,Freund, der letzten letzte Küsse

Auf nasse Wangen uns gedrückt;

Schon schon, beim Zaudern unentschlossner Füße,

Den schnellen Geist vorweg geschickt.


Für uns dahin! Doch nein, dem Arm entführet,

Wirst du dem Herzen nicht entführt.

Dies Herz, o Freund, einmal von dir gerühret,

Bleibt ewig, trau! von dir gerührt.


Erwarte nicht ein täuschend Wortgepränge,

Für unsre Freundschaft viel zu klein.

Empfindung hasst der Reime kalte Menge,

Und wünscht unausposaunt zu sein.


Ein feuchter Blick sind ihre Zaubertöne;

Ein schlagend Herz ihr rührend Lied.

Sie schweigt beredt, sie stockt, sie stammelt schöne,

Ums stärkre Wort umsonst bemüht.


Es winken dir beneidenswerte Fluren,

Nur unsers Neides minder wert.

Zieh hin! und find auch da der Vorsicht goldne Spuren,

Um dich besorgt, von dir verehrt.


Dort herrscht die Ruh, dort ist der Lärm vergangen,

Der hier noch Musen stören darf,

Seit Pallas gern, auf Friederichs Verlangen,

Die spitze Lanze von sich warf.


Ich


Die Ehre hat mich nie gesucht;

sie hätte mich auch nie gefunden.

Wählt man, in zugezählten Stunden,

ein prächtig Feierkleid zur Flucht?


Auch Schätze hab ich nie begehrt.

Was hilft es sie auf kurzen Wegen

für Diebe mehr als sich zu hegen,

wo man das wenigste verzehrt?


Wie lange währt's, so bin ich hin,

und einer Nachwelt untern Füßen?

Was braucht sie wen sie tritt zu wissen?

Weiß ich nur, wer ich bin.



Die schlafende Laura


Nachlässig hingestreckt,

Die Brust mit Flor bedeckt,

Der jedem Lüftchen wich,

Das säuselnd ihn durchstrich,

Ließ unter jenen Linden

Mein Glück mich Lauten finden.

Sie schlief, und weit und breit

Schlug jede Blum ihr Haupt zur Erden

Aus mißvergnügter Traurigkeit,

Von Lauren nicht gesehn zu werden.

Sie schlief, und weit und breit

Erschallten keine Nachtigallen

Aus weiser Furchtsamkeit,

Ihr minder zu gefallen,

Als ihr der Schlaf gefiel,

Als ihr der Traum gefiel,

Den sie vielleicht jetzt träumte,

Von dem, ich hoff es, träumte,

Der staunend bei ihr stand

Und viel zu viel empfand,

Um deutlich zu empfinden,

Um noch es zu empfinden,

Wie viel er da empfand.

Ich ließ mich sanfte nieder,

Ich segnete, ich küßte sie,

Ich segnete und küßte wieder:

Und schnell erwachte sie.

Schnell taten sich die Augen auf.

Die Augen? - nein, der Himmel tat sich auf.